Der österreichische Rap- und HipHop-Musiker Skero erzählt im Interview mit 0816, wie die Corona-Krise sich auf seine Musikproduktion auswirkt. Neben abgesagten Touren, die seine Haupteinnahmequelle seien, hätte die Krise aber auch einen positiven Entschleunigungseffekt.
Was hat sich in deinem persönlichen Leben seit Corona geändert? Wie hat das Virus dein Leben bisher verändert?
Eigentlich gar nicht so dramatisch, da ich vorher auch schon viel von zu Hause gearbeitet habe. Video-Konferenzen waren bisher nicht so ein Thema, aber ich glaube, das geht vielen so, dass sie in der Krise neue Techniken entdeckt haben, die eigentlich eh schon perfekt funktionieren. Da meine Tochter nicht in den Kindergarten gehen konnte, musste ich mir meine Zeit natürlich etwas anders einteilen, dafür habe ich aber auch keine Konzerte. Finanziell habe ich mich bis jetzt ganz gut gehalten, mal schauen, wie das weitergeht.
Du arbeitest gerade an einem Musikvideo mit dem Titel „Verhatschter Samstag in Wien“ in dem du Video- und Fotomaterial über Corona in Wien verwendest – wie gestaltet sich für dich die Produktion des Musikvideos? Was interessiert dich genau und hat dein Interesse daran geweckt?
Ich und BumBumKunst (die Maasnbriada) waren, glaube ich, auch die ersten, die überhaupt etwas in der Krise veröffentlicht haben. Bei „Klopapier“ habe ich im Video auch sehr viel mit Fremdmaterial gearbeitet, weil es zu der Zeit gar nicht anders möglich war. „Verhatschter Samstag in Wien“ ist eine MüßigGang-Nummer, die wir eigentlich schon vor der Krise in Arbeit hatten, allerdings ging es da nur um eine verkaterte Stadt. In der Haupt-Corona-Zeit ist sie mir dann immer wieder durch den Kopf gegangen und ich habe versucht, die Kollegen zu motivieren, diese Nummer fertig zu machen, was aber übers Netz nicht wirklich möglich war. Jetzt konnten wir sie endlich fertig stellen und aufnehmen zusätzlich zum Album, das in der Krise gemischt wurde und nun auch fertig ist. Die Nummer beschreibt einen Tag in dieser außergewöhnlichen Zeit. Ich sehe sie als Zeitdokument und wie geschaffen für unsere Entschleunigunsthematik. Als ich mir Gedanken zum Video gemacht habe, wurde mir klar, dass viele Bilder zur Zeit sehr schwer zu drehen sind. Darum habe ich diesen Aufruf gestartet, der sehr gut aufgenommen wurde. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das so funktionieren wird, aber wenn nicht, sehe ich es als Promotions-Aktion für die Nummer.
Was hat sich für die Produktion deiner Musik seit Corona geändert? Was ist besser, was schlechter geworden?
Es ist sehr schwierig für uns Musiker, da wir nicht auftreten können, und Auftritte unsere Haupteinnahmequelle ist. Releases verzögern sich, da alles ohne gute Videos und Live-Präsentation im Nichts verpufft. Und nach der „Krise“ (wobei keiner weiß, wann das ist) werden sehr viele Alben rauskommen. Da wird dann vieles in der Masse untergehen. Aber ich möchte mich gar nicht so viel beklagen, es gibt sicher Berufszweige, die es härter trifft.
In deinem neuen Song „Klopapier“ geht es um die Corona-Krise? Wie hat diese dich in deinem Kunstschaffen inspiriert? Und was genau hat dich dazu bewegt?
Die Dummheit der Menschen ist so schon auf einem sehr hohen Level, aber die Krise hat viele nochmal zu Höchstleistungen angespornt. Da war noch gar nicht mal die Rede von den vielen Aluhut-Promis, die jetzt noch zusätzlich das Netz verpesten. Als Künstler sehe ich mich immer als Seismograph der Ereignisse, auch wenn ich manche Dinge gar nicht kommentieren möchte, die sowieso schon viel zu viel Aufmerksamkeit bekommen. Vor 200 Jahren haben wir Menschen noch in einer sehr mystischen Zeit gelebt, da wir uns vieles noch nicht erklären konnten, haben wir uns Mythen und Götter ausgedacht. Jetzt leben wir in einer Zeit, in der wir uns einbilden, alles zu wissen und zu beherrschen. Wenn dann eine Situation eintritt, die wir nicht gleich im Griff haben und die dazu noch weltweit auftritt, geraten wir sofort in Panik. Die einen können nicht glauben, dass wir nicht sofort einen Impfstoff dagegen haben und die anderen suchen sich die tollsten Verschwörungstheorien im Netz zusammen, mit denen sie sich wieder Sicherheit in ihre kleine Welt zaubern. Die ewig gleichen Sündenböcke sind gefunden und alle anderen sind verblendete Idioten, die die geheime Wahrheit nicht erkennen. Der Run auf Klopapier ist ein eindeutiges Indiz für die Angst vor Kontrollverlust.

Die Nummer beschreibt einen Tag in dieser außergewöhnlichen Zeit. Ich sehe sie als Zeitdokument und wie geschaffen für unsere Entschleuniguns-Thematik
Skero
Skero im Interview über sein aktuelles Musikvideo „Verhatschter Samstag in Wien“ mit seiner Band Müßig Gang.
Wie sehen die Veränderungen durch Corona in Wien und Linz aus? Welche Plätze und Orte, die du gerne besuchst, haben sich verändert und wie?
Außer, dass keiner dort ist, hat sich eigentlich nichts verändert. Ich habe in den letzte 2 Monaten auch 2 Bilder am Donaukanal gemalt, was auch kein Problem war. Ich habe eher viele neue Orte entdeckt und war viel im Wald unterwegs, ich bin verblüfft, wie sehr wir immer noch die Natur brauchen und wie sehr sie mich beruhigt.
Wie sieht es mit geplanten Touren und Konzerten aus – wie viele wurden bereits abgesagt?
Alle… Ich gehe nicht davon aus, dass heuer noch etwas live passieren wird. Die Kultur steht ja anscheinend an allerletzter Stelle in der Prioritätenliste. Aber schau’n wir mal…
Du hast mit der Boutique Romana im fünften Wiener Gemeindebezirk seit kurzem eine Galerie und einen Veranstaltungsort – was hat dich daran gereizt, diese im 5. Bezirk zu eröffnen? Welche Projekte möchtest du in dieser umsetzen und wie verändert sich dieser nun für dich und Besucher*innen?
Ich hatte schon verschiedene Ateliers aber meistens nur für ein Jahr und bin sehr glücklich, dass ich diesen Ort gefunden habe. Er bietet alles, wovon ich immer schon geträumt habe. Hauptsächlich soll es mein Atelier sein, aber auch Ausstellungs- und Veranstaltungsort. Da der Platz davor verkehrsberuhigt ist und von sehr vielen Leuten genutzt wird, ergeben sich auch viele andere Möglichkeiten. Gute Galerien mit realistischen Konditionen und guten Kontakten gibt es in Wien meiner Meinung nicht viele, darum möchte ich versuchen, selbst aktiv zu werden.
Bekommst du staatliche Förderungen oder Förderungen von Projekten, Aufträgen? Konntest du finanzielle Unterstützung vom versprochenen Härtefallfonds der Regierung bisher beanspruchen? Inwiefern hat sich deine finanzielle Situation verbessert/verschlechtert?
Ich habe bei einigen Förderungen eingereicht und jetzt auch vom SKE etwas bekommen. Es ergeben sich manche Auftrittsmöglichkeiten, z.B. W24 „Angesagt abgesagt“ oder auch „Homesinger“ von Puls4 war so eine Möglichkeit, bei der ich mitgemacht habe. Aber im Prinzip halte ich es wie Helge Schneider: Solange es nicht möglich ist, normale Konzerte zu spielen, werde ich das bleiben lassen. Außer es ist so skurril, dass es mir schon wieder gefällt. Mit Maasnbriada haben wir z.B. jetzt das Angebot, in einer Peepshow aufzutreten.
Wie denkst du, wird sich Kunst, in speziellem Musik, in Zukunft verändern?
Keine Ahnung …Es gibt sehr viele Dinge auf unserer Welt, die weitaus dringender auf eine Veränderung warten. Ich hoffe, dass diese Zeit auch dazu genutzt wird, aber im Moment schaut es eher nicht so aus.
Wie kannst du neue Medien wie virtuelle oder soziale Medien etwa für deine Kunst verwenden?
Ich bin eher dazu gezwungen, diese Medien zu benutzen und sie machen es einem nicht leicht, da alle sehr finanziell orientiert sind. Aber als Künstler hat man da wenig andere Möglichkeiten, seine Arbeit zu promoten. Auf der anderen Seite bieten sie auch viele neue Möglichkeiten, mit dem Hörer spontan in Kontakt zu bleiben. Gleichzeitig muss man aber auch aufpassen, nicht zu viel Zeit mit solchen Dingen zu verplempern.
Denkst du, dass Künstler*innen durch die Corona-Krise verstärkt digitale Medien verwenden (müssen)?
Sicher, aber nicht sehr viel mehr oder weniger als vorher auch schon.