Die Großfeldsiedlung

Die Großfeldsiedlung – ein Spaziergang durch Floridsdorfs größten Gemeindebau

Zwischen Leopoldau und dem Kahlenberg erstreckt sich die in den 1960er Jahren errichtete, größte aus Betonfertigteilen erbaute Siedlung Wiens. Entgegen ihres verrufenen Namens ist die Großfeldsiedlung mit ihren vielen Grünflächen ein Ort der Begegnung und bunten Zusammenlebens.

Der Wind weht stark an diesem frischen frühlingshaften Tag in der Großfeldsiedlung. Bei der U-Bahn-Station Leopoldau treffe ich auf Nadine Gratzer von Wohnservice Wien und Stefan Karasek von Wohnpartner Wien. Gemeinsam gehen wir in Richtung der Großfeldsiedlung, die an der Grenze zu Niederösterreich zwischen den U-Bahnstationen Leopoldau und dem Kahlenberg liegt.

Wir schlendern an einigen Beeten vorbei, die die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung gemeinsam im Frühjahr bepflanzen und während der Jahreszeiten pflegen. Die Wohnhäuser der Großfeldsiedlung erscheinen in der Vorstellung viel größer, als sie es jetzt sind. Nur wenige Menschen kommen uns entgegen, eine ruhige Atmosphäre, vielleicht aufgrund der Frühjahrskälte, macht sich breit.

Um durch die ganze Großfeldsiedlung zu gehen bräuchte man zu Fuß etwa 20 Minuten bis ans andere Ende der Siedlung, sagt Stefan Karasek von Wohnpartner Wien, einem Verein zur Vernetzung und Konfliktlösung der Bewohnerinnen und Bewohner in Wiens Gemeindebauten.

Das große oder lange Feld
Der Begriff Großfeldsiedlung leitet sich vom Großen oder langen Feld ab, das namensgebend für das Gebiet zwischen Leopoldau und Angerdorf steht. Das Gebiet war ursprünglich von den weitläufigen Armen der Donau umgeben. Am Ende des 19. Jahrhunderts begannen die ersten städtebaulichen Entwicklungen nach der Donauregulierung 1875.

Heute erstreckt sich die Großfeldsiedlung über 400.000 Quadratmeter, 300.000 blieben zwischen den errichteten Bauten als Grünflächen. In den rund 5.561 Wohnungen der Großfeldsiedlung wohnen mehr als 20.000 Menschen.

Im Gegensatz zu anderen Gemeindebauten Wiens bietet die Großfeldsiedlung viele Grünflächen an, sagt Stefan Karasek. Wir sehen uns um. Die Bäume tragen bereits ihre ersten Blüten. Nicht zu vergleichen mit dem Schöpfwerk, sagt Nadine Gratzer von Wohnservice Wien.

Die Großfeldsiedlung wurde in den 1960er Jahren errichtet und gilt als eine Satellitenstadt. Satellitenstädte werden Gemeindebauten genannt, die am Stadtrand erbaut werden. Der Name würde der Siedlung jedoch eine negative Konnotation geben, sagt Stefan Karasek.

Wir gehen an einigen Stiegen vorbei, an deren Eingängen bunte Mosaike die Fassade zieren. Ein neuer Spielplatz an dieser Stiege wurde erst vor kurzem errichtet. Auch ein Schwimmbad, Hundezonen, Fußballplätze und ein Einkaufszentrum, sogar eine Pfarrkirche, die Don-Bosco-Kirche, befinden sich in der Siedlung.

Zu Besuch bei Frau Röhrenbacher
Wenn Brigitte Röhrenbacher, Gründerin des Vereins Adolos für Kinder in der Großfeldsiedlung, vom Leben am Rande Wiens erzählt, strahlt sie.

Seit 47 Jahren wohne sie jetzt in der Großfeldsiedlung. Auf die Frage, was sich verändert hat, sagt sie, vieles. Vor allem die Infrastruktur und die Erreichbarkeit seien jetzt viel besser als früher. War die Großfeldsiedlung früher nur mit dem Bus erreichbar, verbindet nun die U1 seit 2006 die Siedlung mit dem Zentrum. Innerhalb von zwanzig Minuten ist man nun am Stephansplatz.

Nur das Einkaufen würde sich als schwierig erweisen und das Stiegen steigen, sagt Frau Röhrenbacher.

Die Adolos
Brigitte Röhrenbacher organisiert regelmäßig Feste und Veranstaltungen für Kinder in der Großfeldsiedlung. Den Verein „Adolos“ für die Kinder der Siedlung gründete Brigitte Röhrenbacher vor mittlerweile elf Jahren. Der Name Adolos steht für die Adolf-Loos-Gasse, die sich durch die Großfeldsiedlung zieht.

Mit einem Puppentheater für Kinder fing alles an. Die serbischen, türkischen und österreichischen Kinder spielten immer getrennt, sagt Röhrenbacher, weshalb sie auf die Idee kam, einen Ort für Kinder zu schaffen, an dem alle zusammenkommen.

Letztes Jahr feierte sie bereits das 10-jährige Jubiläum des Vereins, zu dem auch der jetzige Wiener Bürgermeister Michael Ludwig kam. 2010 zeichnete er sie für ihr Engagement aus.

Die verrufene Siedlung
Der rote Hintergrund ist nicht zu übersehen. Der Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner der Großfeldsiedlung wählte bei den letzten Wiener Gemeinderatswahlen jedoch die FPÖ.

Die Probleme sehe Frau Röhrenbacher weniger bei den Bewohnerinnen und Bewohnern mit Migrationshintergrund, sondern vielmehr bei der Politik der FPÖ.

Wenn einem eine Gruppe entgegenkommt, in denen zwei Frauen ein Kopftuch tragen, falle das halt sofort auf, sagt Röhrenbacher. Weshalb die Großfeldsiedlung oft so verschrien ist, verstehe sie nicht. Ihren Ruf hätte die Siedlung seit der Dokumentation von Elizabeth Spira Anfang der 2000er Jahre.

Tatsächlich beschwerten sich damals viele Bewohnerinnen und Bewohner der Großfeldsiedlung über die negative Darstellung in der Dokumentation. Der damalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete Ferry Maier schrieb 2003 einen offenen Brief an die damalige ORF-Direktorin Monika Lindner, in der er über eine Verletzung von „Ehrgefühl, Gerechtigkeits- und Objektivitätsansprüchen von tausenden Gebührenzahlern“ spricht.

Auch Stefan Karasek von Wohnpartner Wien sagt, in der Großfeldsiedlung gebe es nicht mehr Fälle als in anderen Gemeindebauten, die sich hauptsächlich auf größere oder kleinere Probleme mit Lärm beschränken würden.

Als wir uns von Frau Röhrenbacher verabschieden, blicken wir noch kurz aus dem Fenster. Der Kahlenberg ist von der Ferne zu sehen.

Der Plattenbau per se
Nach dem Besuch bei Frau Röhrenbacher mache ich mich noch allein auf den Weg durch die Großfeldsiedlung. In der Abendsonne spaziere ich an kleineren und größeren Bauten vorbei.

Die mehreren Bauphasen der Großfeldsiedlung von unterschiedlichen Architektenteams sind hier zu erkennen. Kleinere zweigeschossige Häuser als auch 16-stöckige Bauten reihen sich hier nebeneinander. Die Großfeldsiedlung fällt in die Anfangsphase der Errichtung von Bauten mittels der Betonfertigteilbauweise. Die begrenzten Möglichkeiten der Fertigung sind Grund für die einheitliche und monotone Erscheinung der Plattenbauten.

Ein Stück weiter erscheint die Großfeldsiedlung jedoch in bunt angemalten Außenwänden. Bei der U-Bahnstation am anderen Ende der Siedlung flackern die Leuchtreklamen des Einkaufszentrums. Um diese Zeit tummeln sich noch viele Menschen. Hier wirkt die Siedlung etwas lebendiger. Ich gehe die Stiegen der U-Bahnstation hinunter und blicke noch einmal zurück. Na, ganz so schlimm war’s doch nicht.

by Hannah Richlik



Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s