Kunst in Bewegung

Von Grüntönen im urbanen Raum, der Bewegung von Tieren und dem besonderen Formenvokabular – im Interview mit 0816 sprach das Künstlerduo Video.Sckre über ihre aktuelle Ausstellung XOXO, ihre künstlerische Arbeiten und Einflüsse und Kunst in Zeiten von Corona.

Wie war eure Reise in die Pyränaen?

Julia: Sehr schön, wir waren knappe fünf Wochen mit dem Kombi unterwegs, wir haben die Matratze hinten reingeschmissen, hinauf ist die Farbe gekommen.

Und unten die Bananenkisten?

Julia (lacht): Mit Farbe gefüllt allerdings. So schauen unsere Urlaube aus, wir lassen uns ein bisschen treiben, wir wollten eigentlich die ganzen Pyränaen machen von Frankreich über Spanien nach Portugal. Dann kamen die Bestimmungen mit Spanien und die Rückreise war schwierig und nachdem das Programm wieder voll los gegangen ist mit Aufträgen und Ausstellungen, haben wir gesagt, wir sparen uns jetzt die zeitlichen Scherereien und machen nur die französische Seite. Wir haben das echt total ausgereizt.

Frederic: Wir haben uns so viel Zeit gelassen, dass wir nicht mal die französische Seite komplett geschafft haben. Wir waren dann echt immer drei bis fünf Tage an einem Ort.

Julia: Ja, genau, also in menschenleeren Gegenden zum Teil, es war wirklich wunderschön, und die Natur ist auch ganz anders zu den Alpen, hab‘ ich dann festgestellt, ein Reichtum an Insekten, super viele unterschiedliche Schmetterlingsarten, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, in allen möglichen Farben, von blau über rotgelb und gestreift, ich war fasziniert davon.

Frederic: Auf dem Balkan gibt es ja auch viele wunderschöne Ecken unberührter Natur, aber dann schaut man halt um die Ecke und sieht da Plastikflaschen, weggeschmissene Autoreifen, und das ist halt in Frankreich wirklich überhaupt nicht gewesen. Ich glaub ich hab‘ echt nie so viele unterschiedliche Schmetterlinge gesehen wie da.

Könnte das eure nächste Arbeit beeinflussen?

Julia: Das tut es eh irgendwie immer. Winter ist meistens für uns die Atelierarbeit, weil draußen für uns arbeiten da sehr schwierig ist, durch die Temperaturen, die Farbe zieht nicht gescheit ein, es ist auch für uns eher unangenehm, wenn es nass feucht kalt ist, und da ist auch meistens immer ein Stop drin, was Aufträge betrifft, also indoor ja, aber in dem Fall öfters Atelier. Und dann können wir uns wieder den Leinwand-Arbeiten widmen.

Frederic: Wir wollten im März schon ausstellen.

Julia: Genau, in Augsburg.

Frederic: Dann war der Lockdown eine Woche vorher und damit war’s gestorben.

Bewegung zieht sich durch Video.Sckres Malerei. So auch bei dieser Wand in Augsburg_VideoSckre (c) Julia Heinisch
Bewegung zieht sich durch Video.Sckres Malerei. So auch bei dieser Wand in Augsburg_VideoSckre (c) Julia Heinisch

Seit wann macht ihr GraffitiArt?

Julia: Also ich hab so um den Dreh 2013/2014 angefangen, Interesse bestand von meiner Seite schon viel viel länger, ich bin 2008 nach Wien gekommen, um zu studieren, war am Kanal und hab gesehen, es ist bunt, aber es war nicht so bunt wie es jetzt ist, sondern noch ursprünglicher Sandstein zu sehen. Mittlerweile sind zentimeterdicke Schichten drauf, die runterplatzen an und an, und ich war fasziniert. Erst über die Kunstuni in Linz bin ich in Berührung gekommen mit ein paar männlichen Malern, also Sprühern, und hab gefragt, ob sie mich mitnehmen. Und dann haben sie mich mal mitgenommen. Es war ein tolles Feeling!

Frederic: Ich hab mit 14 angefangen, jetzt bin ich 32, und bin am Anfang ein paar Mal erwischt worden, ich habe eine Ausbildung als Theatermaler gemacht, und das eher in die legale Richtung bewegt, die kreative Energie.

Und du bist über Freunde oder von dir aus zum Graffiti gekommen?

Frederic: Das war eher von mir aus. Es waren Klassenkameraden, die das gemacht haben, aber mit denen hatte ich nicht so viel zu tun, die ersten drei bis vier Jahre habe ich das auch gemacht, ohne jemanden zu kennen, der das besser konnte als ich und von dem ich etwas lernen konnte. Mit 18 bin ich dann in Kreise gekommen, wo Leute das schon professionell getrieben haben und die älter waren als ich.

Woher kommst du ursprünglich?

Frederic: Ich komme aus Stuttgart. Ich habe in der Nähe von München meine Ausbildung gemacht

Das Reisen liegt auch auch im Blut?

Julia: Ja, so ein Nomadendasein, das finde ich ganz angenehm, weil da liegt auch ganz viel Freiheit drin, es ist wirklich die größte Freiheit, dort zu sein, wo man möchte.

Es ist ganz angenehm, sich von der Arbeit zu trennen, und sie nicht im Lager zu verstauen.

Was hat euch speziell daran gereizt?

Julia: Alleine die Flächen, die Größe, auch dass man das Bild dann der Öffentlichkeit überlässt.

Frederic: Es kann bemalt werden, kaputt gemacht werden.

Julia: Genau, also es ist ganz angenehm, sich von der Arbeit zu trennen, und sie nicht im Lager zu verstauen.

Wie hat es sich ergeben, dass ihr nun gemeinsam die Ausstellung in der Galerie Oxymoron habt?

Julia: Das war jetzt länger schon mal geplant, und schwierig genug, wir hatten es ja eigentlich schon im Frühjahr angesetzt gehabt, das hat sich dann aber nicht ergeben durch die Corona-Krise. Wir haben uns echt überlegt, ob wir das machen sollen. Mit zehn Leuten im Innenraum – zahlt sich das überhaupt aus? Wir haben dann eine Zwischenlösung gefunden, dass die Leute sich über zwei Tage ein bisschen aufteilen können.

Frederic: Im Endeffekt stand man dann zu fünfzigst draußen. Zumindest die Regeln wurden eingehalten.

In eurer Ausstellung geht es um Bewegung – was genau fasziniert euch daran?

Julia: Ja, wir sind ständig in Bewegung.

Frederic: Ich glaube, bei der Malerei geht es auch viel um Bewegung. Gerade dadurch, dass wir ja eigentlich großflächiger arbeiten. Man arbeitet dann mit dem Körper. Wenn es dynamisch ist, geht es vielleicht auch in eine tänzerische Richtung.

Julia: Also ich glaube, würde man uns die Dose und die Wand wegnehmen, hätte das auf jeden Fall performativen oder tänzerischen Charakter.

Frederic: Wenn man Sachen aus sich herausmacht, und das mit Schwung zieht, dann hat das immer Bewegung.

Was sind eure Motive und Einflüsse? Was eint und was unterscheidet euch?

Julia: Ich komme ursprünglich aus der Zeichnung, und die Zeichnung ist auch das, was mich am meisten interessiert. Am interessantesten fand ich immer schon lebendige Wesen, der Mensch, der menschliche Akt, und über Graffiti ist der Fokus mehr auf Tiere gekommen, wobei ich finde, das besser mit dem Urbanen zusammenpasst. Unsere Verbindung ist auch die Liebe zur Natur, zu den floralen Elementen, die da ineinander gewoben sind.

Ist das nicht ein Widerspruch zum Urbanen?

Frederic: Das ist auch der Reiz. In der Stadt hat man immer noch Natur und die Natur passt sich meistens relativ gut an. Also zumindest ein Teil.

Natur trifft Urbanes: In Linz in der Tabakfabrik (c) Julia Heinisch

Das menschliche Auge braucht diese Grüntöne, um sich auszuruhen. Man sieht sich nicht so schnell satt daran.

Julia: Unsere Murals sind ja auch in den unterschiedlichsten Grüntönen gehalten. Das ist auch glaub ich etwas, was man, wenn man sich in der Stadt bewegt, braucht. Das menschliche Auge braucht diese Grüntöne, um sich auszuruhen. Man sieht sich nicht so schnell satt daran.

Frederic: Bei mir ist es ein Baukasten, den ich mir über die Jahre zugelegt habe aus Formen und aus denen bastle ich dann verschiedenste Sachen zusammen. Gerne florale Sachen, gerne ornamental. Manchmal sehr bewusst, aber meistens sehr intuitiv.

Julia: Das interessiert mich einfach, wenn sich etwas bewegt, wenn sich ein Tier bewegt, wenn man sehen kann, wie die Muskulatur darunter spielt, wenn man einmal die Anatomie verstanden hat. Ich habe mir auch diesen Formenpool, dieses Vokabular angeeignet und kann immer jederzeit darauf zurückgreifen. Da liegt viel Freiheit darin, das macht viel Spaß. Ich habe oft einen Fetisch für ein bestimmtes Tier, das gefällt mir dann in dem Moment besonders gut. Und dann fange ich an, es in allen Bewegungslagen zu zeichnen. Es ist, wie eine Sprache zu lernen.

Frederic: Wir machen auch viele Aufträge, da sind viele florale Sachen, das ist auch das, was die Leute meistens von uns kennen.

Julia: Generell ist es besser, wenn man bei dieser Arbeit den Kopf ausstellt, und diesen Workflow passieren lässt. Das Formenvokabular poppt dann auf und wächst vor sich hin. Schön ist es auch, es passieren zu lassen, und ineinander zu arbeiten, zu neuen Ansätzen zu kommen in dem Moment, bloß keine Wiederholung.

Wie geht ihr beim Malen einer Wand heran?

Frederic: Das hängt stark vom Ort ab, es ist selten ein festes Programm.

Wenn wir bei uns im Atelier sind, stehen wir vor unserem Farbsortiment, schauen was uns gefällt, packen das in den Kofferraum, fahren zur Wand, und dann passiert es einfach.

Julia: Wenn wir bei uns im Atelier sind, stehen wir vor unserem Farbsortiment, schauen was uns gefällt, packen das in den Kofferraum, fahren zur Wand, und dann passiert es einfach.

Frederic: Man entscheidet während des Passierens, was noch reinpasst, was man weglässt, wann es fertig ist. Für Julia reicht die Zeichnung.

Julia (zu Frederic): Ich wäre über dich nie auf Farbe gekommen.

Das heißt, ihr habt euch beide gemeinsam entwickelt?

Julia (lacht): Das ist ja noch kein abgeschlossener Prozess.

Inwieweit hat euch die Corona-Krise in eurer künstlerischen Tätigkeit beeinflusst?

Frederic: Wir waren bisschen zu Hause eingesperrt und haben viel gezeichnet beim Lockdown. Und momentan ist der Terminkalender relativ voll.

Julia: Nach dem Lockdown, da war ja diese Initiativwand in Linz, die wir gemacht haben. Danach ist gleich ein weiterer Auftrag entstanden. Und über die beiden Ecken kommen momentan viele Anfragen herein.

Frederic: Die Leute mussten halt einfach mehr Zeit zu Hause verbringen und haben sich überlegt, ihr zu Hause ein bisschen hübscher zu machen.

Lebt ihr von Förderungen oder Projektaufträgen?

Julia: Wir haben uns bisher nicht mit Förderungen beschäftigt, weil genug Anfragen da waren. Das ist etwas, was noch mitlaufen muss. Ich bin erst seit eineinhalb Jahren selbstständig und das bringt einem auf der Kunstuni auch keiner bei, was du machen musst, wenn du davon leben willst. Da muss man wirklich beinhart auf alles selber draufkommen. Man lernt nichts über Steuern, man lernt nichts über Förderungen. Aber das ist etwas, womit ich mich früher oder später auseinandersetzen muss.

Frederic: Ich arbeite auch noch als Theatermaler, habe eine Stelle mit zwanzig Stunden. Es ist ein sehr angenehmer Kosmos am Theater. Ich bin da gerne, ich verstehe mich mit den Arbeitskollegen gut, und ich komme da mit Leuten zusammen, mit denen man außerhalb des Künstlerlebens sonst nicht zusammenkommt, und das bereichert mich sehr.

Inwieweit hat die Corona-Krise eure Reisen beeinflusst?

Julia: Ursprünglich wollten wir im Sommer nach Bulgarien ans Schwarze Meer, weil wir von der Balkan-Reise schon so angetan waren, die wir vor zwei Jahren gemacht haben im Sommer. Und das wäre super aufwendig geworden mit Tests machen, und da haben wir uns überlegt, wo wäre es noch schön und Berge, Natur, Einsamkeit, darauf stehen wir prinzipiell eh, und es war eine sehr schöne Erholung von dem Ganzen.

Frederic: Und wir hatten die zwei, drei Monate davor auch wirklich einen vollen Terminkalender.

Julia: Und wir haben in Frankreich viel gezeichnet, französischen Wein getrunken, und man nimmt ja alles mit Kinderaugen wahr, wenn man wo neu ist, das finde ich total spannend.

Die Ausstellung XOXO von Video.Oner und Sckre könnt ihr euch noch bis 16. Oktober 2020 in der Galerie Oxymoron im 7. Bezirk in Wien ansehen!

Zu den Künstlern:

Video (Julia Heinisch, *1990 Linz, AUT), studierte Bildhauerei und transmedialer Raum an der Kunstuniversität Linz, sowie Kunstgeschichte an der Universität Wien.

Sckre (Frederic Sontag, *1988 Ludwigsburg, GER), ist ausgebildeter Bühnenbildmaler und zur Zeit als solcher in den Münchner Kammerspielen tätig.

Video.Sckre bei ihrer Ausstellung in der Galerie Oxymoron in Wien (c) marierichlik
Video.Sckre bei ihrer Ausstellung in der Galerie Oxymoron in Wien (c) marierichlik

Mehr über das Künstlerduo und ihre Arbeiten findet ihr unter www.video-sckre.com

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