KUSO traf den Maler Andreas Tanzer in seinem Atelier. Was ihn antreibt, wieso er ein Faible für alte Meister hat und wieso man die Schranken zwischen Kunst und Mensch brechen sollte, erzählt der Künstler im Interview.
Du spielst in einer Band und hörst schon lange Punkmusik, wo es um Expressivität geht und darum, etwas herauszuschreien. Gehst du beim Malen auch so um, dass du etwas herausschreist und du etwas aus einem Gefühl holst oder ist das beim Malen anders?
Der Unterschied von Malerei und Musik liegt in der Zeitlichkeit. Der Malprozess geht über mehrere Monate, Wochen, sogar Jahre. Die Ölmalerei ist eine langsame Technik – es mischen sich sehr viele Ausdrücke über längere Zeit. Die Musik im Gegensatz dazu ist zeitlich an die Strukturen gebunden. Das heißt, man hat nur den Moment des Ausdrucks. An einem Tag ist man glücklich, am anderen traurig oder aggressiv. Der Schrei in der Musik ist im Moment. In der Malerei ist der Schrei endlos, da das Bild überdauert.
Was würdest du als Sinn deiner Malerei sehen?
Die Überwindung des Todes. Ich glaube, das ist ein Urgefühl oder -gedanke, den jeder Mensch in sich trägt.
Hat das auch etwas Therapeutisches?
Ich glaube, dass alles eine therapeutische Funktion hat. Ich versuche aber nicht, meine Therapie in meinem Schaffen zu finden, weil ich Angst hätte, dass ich mich dabei in mir selbst verliere. Ich versuche eher, wenn ein therapeutischer Bedarf besteht, dass ich jemanden um Rat bitte. Das empfinde ich als sinnvoller, als die Lösung in der Malerei oder Musik zu suchen.
Eine deiner Bilderserien heißt Vergänglichkeit. Was reizt dich an dem Thema?
Eine meiner Bilderserien heißt #Vergänglichkeit. Dieser Hashtag, früher Doppelkreuz, war schon sehr lange das Symbol für Links. Links sind uns heute sehr vertraut. Ich hab’ sehr viele Zitate und Paraphrasen auf die Kunstgeschichte gemacht. Viele habe ich mir aus dem Kunsthistorischen Museum geholt. Mit Vergänglichkeit meine ich einerseits, dass die Malerei etwas Konserviertes ist, was meine eigene Vergänglichkeit ausspielt – mein Bild lebt also länger als ich selbst. Deshalb ist Vergänglichkeit immer Thema, wenn man malt. Andererseits ist es spannend, wie sich das Bild in der Zeit verändert. Ein roter Apfel hat vor 500 Jahren etwas anderes bedeutet als heute. Die Symbolik von Bildern hat sich verändert und dennoch teilt sie etwas mit.

Wie baust du Symbole in deine Arbeiten mit ein?
Die Symbolik in der Malerei spielt eine ganz besondere Rolle. Sie bietet eine Möglichkeit, die geschriebene und gesprochene Sprache zu überwinden. Da Symbolik oft über Religionen oder die Kultur hinaus funktioniert, wobei Symbole auch Teil der Kulturgeschichte sind. Die Symbole in meiner Malerei wandeln sich sehr stark – um verschiedene Bedeutungen in verschiedene Bilder einzuführen. Damit einhergehend ist eine Reflexion und Recherche, welche Symbole in welcher Kultur und Religion vorkommen. Je nachdem verwende ich die Symbole passend zu den Bildern. Es gibt Symbole, die stehen für Reinheit, für Chaos, für Ordnung,…
Eine weitere Serie von dir heißt “Gravity”. Worum geht es hier?
Wie der Name schon sagt, beschäftigt sich die Serie mit der Schwerkraft. Das ist die beständigste Kraft, der wir Menschen ausgesetzt sind und gegen die wir allesamt ankämpfen. Ich bin gerade an einem neuen Bildzyklus, wo Gegenstände an Fäden aufgehängt sind und dieser Schwerkraft trotzen. Bedingt trotzen, weil sie ihr Eigengewicht haben. Das Spannende ist, dass die Malerei die Möglichkeit hat, die Gravitation aufzulösen. Ich kann einen schwebenden Amboss malen, wenn ich dazu Lust habe. Die Gravitation ist in der Malerei eine sehr wichtige Kraft. Objekte haben Gewicht oder kein Gewicht. Dieses darstellen zu lernen, erfordert sehr viel Aufmerksamkeit.

Du zitierst oft Künstler in deinen Werken. Wie gehst du dabei vor?
Zu Beginn meines Studiums bin ich sehr oft ins Kunsthistorische Museum gepilgert und habe mir die alten Meister angesehen. Ich habe mir dabei Teile aus den Gemälden fragmentiert und herausgezeichnet und diese Zeichnungen oft für meine eigenen Malereien paraphrasierend verwendet. Verwendet, weil ich eine Faszination für die Maltechniken, die Komposition und deren Farbgebungen hatte. Mittlerweile ist es oft der sakrale Moment und die Schwere dieser Bilder, welche mich anziehen. Es ist faszinierend, wie viel Schwermut von dieser Zeit übrig geblieben ist. Nachdem meine Bilder auch oft schwer sind, finde ich nach wie vor meine Bestätigung in alten Gemälden.
Dein Werk “Gegenmaßnahmen” ist politisch sehr aktuell. Was hat dich dazu bewegt? Und was denkst du über die Situation, dass Klimaaktivisten Gemälde beschütten?
Das Bild “Gegenmaßnahmen” ist Ende 2022 entstanden. Ich habe mir viele Gedanken über den Klimawandel und die Rache der Natur gemacht, da kommt auch der Titel her. Man kann es aber auch ganz anders lesen und ich will da auch auf keinen Fall eine Deutungsweise diktieren. Ich hätte nichts dagegen, wenn sich jemand in das Bild klebt oder wenn jemand das Bild überschüttet, weil das ein Zeugnis davon wäre, dass das Bild bereits Aufmerksamkeit hat.

Gegenmaßnahme ist eine Art Reflexionsprozess im Jetzt – geleitet von medialen und von aktivistischen Einflüssen. Ich denke, es ist stark selbsterklärend, was das Bild bedeutet. Hoffentlich gibt es jedoch nicht nur eine Lösung, was das Bild meinen kann.
Du hast früher auch einmal als Altenpfleger und Assistent für Menschen mit Beeinträchtigung gearbeitet? Wie hat dich diese Arbeit geprägt?
Vor meinem Kunststudium war ich als Altenpfleger tätig. Das war eine meiner schönsten Erfahrungen, die ich gemacht habe. Ich hab’ gemerkt, dass ich sehr intensive Gespräche mit älteren Menschen führen kann. Das hatte ich zuvor selten. Ich hatte wenig Draht zu meinen Großeltern und zu anderen älteren Leuten. Durch die Arbeit habe ich meine eigene Schüchternheit überwinden können um von älteren Menschen im Alltag zu lernen. Es war eine sehr schöne Symbiose, die bereichernd für mein und helfend für deren Leben war.
„Die Schranke zwischen Mensch und Kunst gilt es zu brechen.“
Mit Kulturarbeit ist es nicht immer so, dass man sich erfüllt fühlt, weil man immer nach Gründen und Rechtfertigungen sucht, dass das Ego eh‘ arbeiten darf. Ich weiß, dass Kultur und Kunst sehr notwendig für den Erhalt einer Gesellschaft sind. Die Schranke zwischen Mensch und Kunst gilt es zu brechen.
Über
Andreas Tanzer, geboren 1987, ist Maler und lebt in Wien. Er studierte Bildende Kunst in Linz und England. Mehr über den Künstler findest du auf seiner Website: www.andreastanzer.com
Hier gibt es das ganze Interview mit Andreas: