Federn des Mutes

In ihrem Film „Lass mich fliegen“ begleitet die Regisseurin Evelyne Faye vier Menschen mit der Diagnose Down-Syndrom auf ihrem Lebensweg. Sie möchten ein ganz normales Leben führen. Das Einzige, was sie daran hindert: die Vorurteile der Gesellschaft. Im Interview mit KUSO sprach die Regisseurin über die Probleme von Menschen mit Down-Syndrom, ihre Wünsche für die Zukunft und weshalb Inklusion und Persönliche Assistenz für ein selbstbestimmtes Leben so wichtig sind.

An Evelynes Wand hängt ein rosa blaues Bild, an dem Federn angebracht sind. Sie erzählt, dass ihre Kinder immer, wenn sie etwas Tolles und Mutiges machen, eine Feder auf die bunt bemalte Wand hängen. Als Symbol dafür, dass Mut sie stark macht.

„Meine Tochter ist eine sehr große Inspiration für mich“, erzählt die Mutter von drei Kindern. Sie selbst hätte viel durch ihre Tochter gelernt und an Mut gewonnen, aber bestärke auch immer wieder ihre Tochter, mutig zu sein.

Mut, um Dinge zu ändern und Normen aufzubrechen. „Menschen mit der Diagnose Down-Syndrom wird oft wenig zugetraut“, erklärt Evelyne im Interview. Sie würden in eine Schublade gesteckt werden. So wie Andrea. Eine der Protagonistinnen im Film „Lass mich fliegen“. Andrea möchte sich für eine Stelle als Betreuungsassistentin für ältere Menschen mit Demenz bewerben, wird jedoch abgelehnt, weil sie die Anforderungen aufgrund ihrer Diagnose nicht erfüllt.

Oder wie das Paar Raphael und Johanna. Später einmal möchten die beiden Kinder bekommen. Aber ihrer Familienplanung stehen einige Hindernisse bevor. „Oft bestehen Parallelgesellschaften. Menschen mit Beeinträchtigungen leben oder arbeiten in Institutionen. Ihnen wird nicht zugetraut, mehr als eine Gartenarbeit oder Gastronomiearbeit zu verrichten“, erzählt die Regisseurin. Andere Menschen hätten oft Berührungsängste. Wie soll ich mich verhalten, was soll ich tun.

Johanna und Raphael (c) NGF
Johanna und Raphael – „Lass mich fliegen“ (c) NGF

Evelynes Tochter, Emma Lou, kam mit dem Down-Syndrom zur Welt. Den Film widmet sie ihrer heute 11-jährigen Tochter. “Der Film soll Menschen bestärken und ihnen Kraft geben.” Die Diagnose Down-Syndrom ist oft ein Grund für viele Frauen, eine Schwangerschaft abzubrechen. Gut 90 Prozent der Schwangerschaften werden in Europa abgebrochen, sobald die Diagnose Down-Syndrom feststeht.

Mittels Pränataldiagnostik können Ärzte schon in der Frühphase einer Schwangerschaft feststellen, ob ein Kind eine Behinderung haben wird. Ängste, wie das Leben nach der Geburt weitergeht, und wenige Informationen darüber, ein Leben mit der Diagnose zu führen, belasten die Eltern und führen häufig zu einem Abbruch.

Es fehlen ausführliche und vielfältige Informationsquellen über die Bedeutung eines Lebens mit dem Down-Syndrom, damit sich die Paare ein konkreteres Bild machen können, was es wirklich bedeuten kann.

„Es ist es sehr wichtig, den Eltern viele Informationen darüber zu geben und ihnen mitzuteilen, dass auch ein Leben mit Diagnose sehr schön sein kann“, erzählt sie. Von Menschen mit Down-Syndrom könne man viel lernen, so Evelyne. Ihre Tochter würde Menschen ohne Filter bewerten. „Auch die emotionale Intelligenz ist sehr wichtig in einer Gesellschaft. In einer stark orientierten Leistungsgesellschaft werden diese Fähigkeiten oft vergessen.“

„Vor allem Persönliche Assistenz ist sehr wichtig, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen“, findet die Regisseurin. „Ich hoffe, dass sich auch in diesem Bereich viel ändert und es in Zukunft mehr Angebote und bessere Arbeitsrahmenbedingungen für die Assistent*innen geben wird. Damit dieses Angebot von jedem und jeder benutzt wird, der den Wunsch und Bedarf dazu hat.“

Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Ich wünsche mir, dass Menschen mit der Diagnose Down-Syndrom genauso wahrgenommen werden, wie sie sind: als wertvolle Mitglieder der Gesellschaft. Menschen, die willkommen sind und nicht nur „toleriert“ werden. Sie sollten sichtbarer sein und als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft wahrgenommen werden.

ein Artikel von Hannah Richlik

Über

Evelyne Faye (c) Philipp Horak

Evelyne Faye ist Regisseurin und Buchautorin. Mehr über ihren Film “Lass mich fliegen” und zu ihrer Person findest du hier:

https://www.evefaye.com/

https://www.lassmichfliegen.com/de/

Credits Titelbild: NGF

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