Fabelhaft träumerische Welt

„Das Glücklich sein ist die Farbe meiner Identität.“

KUSO traf die 23-jährige Künstlerin Barbara Mendez Mendez aka okadosa im Gemeinschaftsatelier des KAK im neunten Wiener Gemeindebezirk. Hauptberuflich arbeitet sie zurzeit in einer Tagesstruktur für Menschen mit Behinderung.

Wo sie ihr Glück findet, ihre Inspiration hernimmt und wieso der Surrealismus sie schon immer gereizt hat, lest ihr in folgendem Beitrag.

Gemälde von okadosa (c) Barbara Mendez Mendez
Was ist die Übersetzung deines Untertitels auf Instagram  – Ser feliz es mi color de identidad?

Das Glücklich sein ist die Farbe meiner Identität.

Heißt für dich was?

Prinzipiell ist das ein Zitat von einer lateinamerikanischen Sängerin, Chavela Vargas, mit der ich mich identifizieren kann. Diese Stabilität und das Glück in sich selbst zu finden, das reicht aus um sich allgemein im Leben wohlzufühlen.

Wie findest du das Glück in dir selbst?

Es ist auf jeden Fall ein Weg, eine konstante Weiterentwicklung. Wichtig finde ich, mir öfter Zeit für mich selbst zu nehmen, um nach innen zu horchen und zu schauen, dass ich die Beziehung mit mir selbst im Inneren pflege und hege. Nicht die Hoffnung zu verlieren und nicht aufzugeben, indem man immer dieses bisschen Glück in sich selbst findet.

Ist die Kunst für dich etwas, was dir Halt und Stabilität gibt, was dich glücklich macht?

Auf jeden Fall. Solange ich mich zurückerinnern kann, war Kunst immer so das Eine, was ich gut konnte, das Eine, wo ich mich wohl gefühlt habe, das Eine, wo ich auch viel Zeit mit mir selbst verbracht habe und auf das ich immer wieder zurückgreifen kann. Ohne dem würde mir ein großer Teil meines Lebens fehlen.

Wie lange malst du schon? Wann hat deine Leidenschaft begonnen?

Als Kind hab ich schon immer gezeichnet. So richtig gemalt mit der Leinwand war das so mit 11, 12 Jahren. Ich glaub so mit 16 Jahren hab ich dann mit Ölfarbe angefangen, womit ich davor noch nie gearbeitet hab und seitdem arbeite ich damit am Liebsten. Weil ich mir auch dachte, all diese ur orgen, pompösen, realistischen Gemälde, die man im Kunsthistorischen Museum sieht, die sind alle mit Öl gemalt und ich dachte mir, ok, wenn ich so realistische Sachen machen will, dann will ich es auch genauso machen.

Waren das deine Vorbilder bzw. wer waren oder sind deine Vorbilder und Musen?

Ja, ich glaub, dass ich immer schon die Technik aus dem 15. bzw. 16. Jahrhundert, diese Ölgemälde, unfassbar beeindruckend fand und das bisschen als Richtlinie genommen habe, gerne dort anzukommen. Als Kind fand ich Frida Kahlo unglaublich cool und auch Salvador Dali mit dem Surrealismus. Du probierst jetzt nicht nur eine Fotografie abzuzeichnen, sondern es ist irgendwie noch dieses Träumerische, was dann die Welt so ein bisschen erweitert. Hieronymus Bosch ist auch richtig großartig und wie viel Detail er schafft. Eben auch mit Tieren und dann auch diese wahnsinns Vorstellungskraft, die er hatte. Das Bizarre finde ich schon sehr spannend, was allgemein im Surrealismus ist, wo man einfach nicht wegsehen kann. Und in den letzten Jahren ist mir auf jeden Fall die feministische Kunstbubble wichtiger geworden rund um Valie Export. Und das sind eben nicht immer die vom Mainstream klassisch, schönen Motive sondern, dass zum Beispiel mehr Körperbehaarung abgebildet wird bzw. generell verschiedene Körper oder einfach außerhalb des Kontextes. Eine Frau nicht nur da ist, um hübsch auszusehen.

Greifst du dieses Thema auch in deiner Kunst auf?

Langsam finde ich es auch spannend zu probieren, mehr Arten von Körpern darzustellen. Ich habe das Gefühl, dass das etwas ist, was mir selbst ein bisschen fehlt in der gesamten Kunstszene, auch wenn es viel so feministische Bilder gibt. Die sind meistens so eingeschränkt auf diese schlanke, weiße, attraktive Frau. Auch wenn sie Sachen macht, die irgendwie die Gesellschaft kritisieren, habe ich das Gefühl, es ist limitiert, sodass man nicht viel mehr sieht oder es nicht viel mehr Sachen gibt, die so eine große Plattform bekommen. Ich habe auch das Gefühl, vor allem jungen Frauen will man die Sexualität oft absprechen und ich glaube, wenn es dann um junge Frauen mit Behinderung geht, umso mehr wird ihnen die Sexualität abgesprochen.

Wie ist die Lage in Bezug auf Menschen mit Behinderung, gerade, wenn es um Themen wie Sexualität geht?

Ich arbeite ja in einer Tagesstruktur (für Menschen mit Behinderung), vor allem Menschen mit Zerebralparese. Also die große Mehrheit ist im Rollstuhl. Da gibt es auch immer wieder welche, bei denen das Thema Sexualität aufkommt. Eine moderne Connection fehlt. Es gibt ein paar, die sich schon ein bisschen bewusster sind aber es auch immer wieder heißt, dass die Eltern diejenigen sind, die einschreiten, die ja nichts mit einer Sexualpädagogin oder sowas zu tun haben wollen. Gleichzeitig sind wir in der Tagesstruktur ja eigentlich nicht dafür verantwortlich und ich hab das Gefühl, dass es auch immer etwas ist, das alle irgendwie wegschieben. Ich glaube schon, dass es auch psychologisch voll der Druck sein kann, wenn so viele Jahre ein wesentliches Bedürfnis wie Lust, wie es auch Hunger oder Durst ist, dein Leben lang verneint wird. Das kann bestimmt nicht gesund sein.

Und deine Bilder? Erzähl mir was über deine Bilder!

Ich habe mir in der letzten Zeit mehr Klienten aus der Arbeit als Motiv ausgesucht. Ich spiele dann doch viel mit Selbstporträts, allgemein mit Porträts, mit der Intention jetzt mehr an Diversität von Menschen und Körpern abzubilden und nehme mir viel Inspiration aus dem alltäglichen Leben in der Tagesstruktur. Hilfsmittelversorgung finde ich auch visuell was super Spannendes. Ich habe schon das Gefühl, dass ein paar von den Leuten erzählen, dass sie sich irgendwie in ihrem Körper vielleicht sogar etwas gefangen fühlen. Dass ihnen der Körper nicht die Selbstständigkeit und die Freiheiten lässt, die man sich wünscht. Und dass die dann deswegen einfach sehr auf andere Leute angewiesen sind. Also in einem Fall zum Beispiel ist der Klient auch noch verbal eingeschränkt, das heißt, es ist auch das Kommunizieren von den Bedürfnissen sehr eingeschränkt, das heißt eigentlich ein Leben lang, dass alle deine Entscheidungen von anderen Leuten getroffen werden. Dieses anders sein oder dieses anders als gewohnt, ist sehr oft sofortige Abschreckung.

Wann hast du angefangen in der Tagesstruktur zu arbeiten und wie bzw. wann kam die Idee auf, deine Klient*innen zu porträtieren?

Ich arbeite noch nicht so lange dort, bisschen mehr als ein Jahr und hab mir eigentlich schon von Anfang an gedacht  –  das sind Personen oder alte Institutionen, die ich sehr spannend finde und ich abbilden will – aber auch sehr zögernd war, weil  ich mir nicht sicher war, wie ich sie abbilden will. Weil in der Art, wie ich sie repräsentiere, ist mir wichtig, wie die Leute dargestellt werden. Jetzt kommen mir langsam immer mehr Ideen und ich hab auch Klienten, die von sich aus zu mir kommen und sich gemeinsam was ausdenken.

Aber Porträts hast du schon immer gemalt?

Ja, ich glaub ich fand Körper schon immer irgendwie einschüchternd. Ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass ich über Sexualität und Körper Null reden konnte, das war für mich sehr lange ein absolutes Tabuthema und ich hatte auch sehr viele Jahre und manchmal immer noch sehr Probleme mit meinem eigenen Körper. Ich war sehr entfernt vom Körper abbilden wollen und jetzt langsam taste ich mich heran, weil mir auch die Diversität dazu in der Gesellschaft fehlt.

Willst du den Job noch länger machen um daraus Inspiration zu schöpfen oder willst du irgendwann ganz von der Kunst leben können?

Im Sozialbereich zu arbeiten, hab ich nicht mit der Intention gemacht, dass ich davon Inspiration hab, das hat sich einfach so ergeben. Ich mach jetzt dieses Jahr dann die UBV (Unterstützung in der Basissversorgung) Ausbildung in der Basispflege und ich würde auf jeden Fall weiter in dieser Tagesstruktur arbeiten, wenn sie mich weiter haben wollen. Es macht mir enormen Spaß. Ich find’s unglaublich schön und ich kann mir vorstellen, auch mit anderen marginalisierten Gruppen zu arbeiten. Ich glaube, es passiert nicht oft, dass man, vor allem wenn man jung ist, schon einen Job findet, wo man das Gefühl hat, dass der einen eventuell mehr bereichert, als man überhaupt zurückgibt.

Was weckt deine Leidenschaft an Porträts?

Allgemein der Realismus und speziell Menschen in Beziehung zu sich selbst und zu ihrer Umgebung zu sehen. Spannend ist für mich, dass das Gesicht eines der Hauptmerkmale ist um eine Person zu differenzieren, man ihre Identität also Persönlichkeit ablesen kann, man über die Augen in die Seele hineinschauen kann.

Wie wichtig sind für dich Tiere und die Natur allgemein in deinen Bildern?

Auf jeden Fall so organische Elemente zu verwenden. Also ich bin eigentlich kein großer Fan von Fassaden, Architektur, irgendwie so Menschgemachtem. Deswegen glaube ich, benutz ich lieber Pflanzen oder Tiere, um den Menschen auch noch ein bisschen Company zu geben. Denn die Gesellschaft, also das Tier oder die Pflanzen dann doch so Symbole sein können, die gewisse Gefühle noch mehr hervorheben oder eine gewisse Symbiose erzeugen und das dann doch irgendwie die Geschichte auf irgendeine Art näher erklären kann. Ich glaub auch, dass Tiere und Pflanzen ein bisschen aus diesem Realismus rausnehmen. Dass es eben dieses Fabelhafte noch gibt, dieses aus der realen Welt in eine Fantasiewelt überzugehen und das alles ein bisschen fantastischer zu machen.

Wie lange malst du an so einem Bild und woher nimmst du die Motivation?

Verschieden, ich sag mal jetzt grob so durchschnittlich vier, fünf Stunden oder länger. Das mach ich eben nach der Arbeit hier im Atelier. Wenn die Motivation für ein neues Bild da ist, dann ist es wirklich so Hyperfokus, so eine Tunnelvision. Ich sehe nichts anderes und jeden Moment den ich hab, komme ich dann wieder hierher um weiterzumalen und manchmal hab ich schon so eine Vision, was ich gern damit machen würd, aber ich hab so diese Hemmung davor, daran weiterzuarbeiten, weil ich weiß, wenn ich das dann mache, muss ich mich voll und ganz reinstürzen. Wichtig ist mir, diese Abwechslung zu haben, einfach viele Hobbys gleichzeitig. Ich glaub, sonst hätte ich einfach irgendwann mal schnell gar keine Lust auf irgendwas. Und so behalte ich die Lust und Motivation, indem ich verschiedene Hobbys und Leidenschaften hab.

Was sind deine Projekte für 2024?

Ich will auf jeden Fall das Bild von der Silvana fertig machen, da habe ich eben die Referenzfotos. Mir ist wichtig, dass die Essenz und die Emotionen von der Person irgendwie da sind und deren Persönlichkeit. Sowas einfangen wie die Aura. Ich mach quasi meine erste wirkliche Ausstellung mit einer befreundeten Künstlerin, sie macht Fotografie, Druckgrafik und Text. Clara Tomschi heißt sie und dass wir da gemeinsam eine Ausstellung machen, so Richtung Thema Körperwelten geht auch ein bisschen mehr so in die feministische Richtung. Idealerweise will ich auch gern mit den Klient*nnen in der Arbeit mehr malen und mit denen eine Vernissage machen, dass die auch mehr damit in Kontakt kommen mit Leinwänden und Farbe, weil ich finde, das ist auch der Weg, bei dem du am meisten Ausdrucksformen hast. Also man sieht dann deren eigene Persönlichkeit.

Kannst du von der Kunst leben?

Nein. Vielleicht, wenn man noch ein paar Jahre an der Kunst Uni studiert, dort viele Kontakte knüpft, aber soweit bin ich noch nicht. Es ist wirklich mehr ein Hobby und Lust und Spaß und für die Selbstverwirklichung. Um davon zu leben, muss man dann doch mehr in den Kunstmarkt reinkommen. Obwohl es ein Luxusgut ist, finde ich es eigentlich schön, wenn auch „herkömmliche“ Leute also nicht nur Millionäre, sich auch solche Gemälde finanzieren können. Allgemein einen Preis für Kunst festzulegen ist immer schwer, weil es ist ja voll viel Arbeit, die sich für mich rentieren muss, aber ich muss mir dann überlegen – was ist viel Geld, was ist wenig Geld? Da ist wieder für mich so dieses Thema Kapitalismus, das uns einfach immer wieder auch so schöne Dinge zerstört oder Leute, die einfach nicht malen, weil sie davon nicht leben können und sich sowas wie Leidenschaft oder Selbstverwirklichung nicht leisten können.

Ist Malen ein teures Hobby?

Es geht. Wenn man von Null anfängt, muss man sich schon so ein kleines Arsenal aufbauen, an Farben und von dem Ganzen, also vor allem Öl. Es gibt billigere Hobbys als Ölfarben.

Kannst du uns noch ein bisschen von deinem Background erzählen, also dein Werdegang?

Also in der Boerhaavegasse war ich sechs Jahre im bildnerischen Zweig und dann in der Spengergasse habe ich die fünf Jahre (Oberstufe) gemacht und nach der Spengergasse war ich kurz unterwegs, in Spanien mit  – im Auto leben für einen Monat. Als ich zurück ging nach Wien, hab ich mich dann ein bisschen nach Jobs orientiert und dann hab ich was in Richtung Medien gesucht, weil das war die höchste Ausbildung, die ich hatte. Dann habe ich bei Media & More einen Job als Medienfachkraft bekommen. Danach bin ich zu meinem jetzigen Job gekommen, da hat mich eigentlich mein Team eingeschult für das Ganze und jetzt bin ich schon über ein Jahr dort. Und mach sonst eben einfach meine Privatprojekte weiter mit Malerei.

Würdest du zustimmen, dass man das, was man kann, nicht studieren muss?

Ja. Ich glaube ein Umfeld von Leuten, die was Ähnliches machen, mit denen man sich austauschen kann und Zeit und Ressourcen bekommt, um sich mehr mit der Materie auseinanderzusetzen ist wichtig. Ich glaub schon, dass es recht wertvoll sein kann zu studieren, aber ich glaub auch, dass da kein Zeitlimit gesetzt ist. Denn dann hätte ich nicht den Job gefunden und dann hätte ich jetzt auch diese ganzen Bilder nicht. Also ich glaube auch, dass die Entwicklung außerhalb von diesem Akademischen, seine Daseinsberechtigung hat und auch viel zu geben hat. Das Akademische ist dann was nettes Zusätzliches um das Ganze zu verfestigen.

(c) Marie Richlik

Über

Barbara Mendez Mendez, 23, lebt und arbeitet in Wien als Malerin und in einer Tagesstruktur für Menschen mit Behinderung. Sie ist Teil des KAK (Kunst-, Architektur- und Kulturvereins).

Weitere Infos zu Barbara findest du hier.

Okadosa ist ein erfundenes Wort, das enstand mal in der Unterstufe aus den Japanischen Wörtern okasa-mutter und odosa-Vater, es ist zwar originell, aber sonst hat das Wort keine enorme Bedeutung für mich.

Barbara Mendez Mendez

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