Im Interview mit KUSO erzählt Andreas Walch aka Der Walchimist über seine Leidenschaft zum Malen, was ihn inspiriert und was er #echtkuso findet.
Marie: Aus welchem Grund malst du?
Andy: Es ist ein Drang, etwas loszuwerden, etwas zu verarbeiten. Ich habe keine Ahnung und ich mag auch genau genommen nicht darüber nachdenken, es funktioniert. Es tut mir gut und ich mach’s gern und mittlerweile kann ich es ein bisschen.
Marie: Ich finde, du hast voll deine eigene Handschrift und einen Wiedererkennungswert.
Andy: Ich glaube, es sind jetzt wahrscheinlich bald 20 Jahre, dass ich male. Ich habe nie einen Kurs besucht.
Marie: Hast du schon mal ein Bild weggeworfen?
Andy: Ich hab in den ganzen 20 Jahren vielleicht 2 Bilder weggeworfen, alle anderen existieren, also jedes schlechte Bild hat seinen Platz.
Hannah: Aus welchem Grund hast du das Zitat von Pablo Picasso auf deiner Website „Wenn ich erklären müsste, was Kunst ist, würde ich es für mich behalten?“
Andy: In dem Moment, wo du anderen sagst, was Kunst ist, machen andere daraus eine Werteskala und messen daran etwas. Kunst sollte in meinen Augen nicht gemessen werden. Oder zumindest nicht auf diese Weise. Wenn du dir die Endphase vom Picasso anschaust, dann hat er das alles hingeknallt und mit 3,4,5 Strichen gemalt. Das ist an sich toll und gleichzeitig ein Statement, wo er sagt, ich muss nicht kiloweise Farbe auf eine Leinwand bringen, damit es ein gutes Bild wird. Das ist was, was ich sehr mag. Ich mag den Gedanken. Mir taugt das und ich mag Picasso in all seinen Phasen.
Marie: Wenn du einen Künstler oder eine Künstlerin, egal ob lebendig oder tot, treffen würdest, kennenlernen würdest. Für wen würdest du dich entscheiden?
Andy: Picasso oder Basquiat. Ich bewege mich mit meiner Kunst hoffentlich irgendwo dazwischen.
Hannah: Walchemismus – wie würdest du deine Art Kunst zu machen beschreiben?
Andy: Ich finde die Idee der Alchemie ganz lustig. Versuchen, aus einem Material Gold zu machen. Es hat nie funktioniert, hat aber trotzdem nie seinen Reiz verloren. Auf Dinge zuzugehen, ohne dass man weiß, was man tut. Das finde ich sehr sympathisch. Man hat Leute verfolgt, die als Alchemisten gegolten haben. Die haben teilweise ihren Ruf riskiert, ihr Leben riskiert, sie wurden der Hexerei bezichtigt und lauter so Blödsinn, also das war nicht nur Spielen, sondern blinde Hingabe, und das mag ich schon sehr. Das hat natürlich auch ganz gut zu meinem Namen gepasst, ich musste ihn quasi nur leicht abändern.
Marie: Hast du schon eine Vorlage im Kopf, wenn du anfängst zu malen oder ergibt sich das spontan?
Andy: Meistens gehe ich mit meinen Bildern wochenlang schwanger und hab sie nur im Kopf, dann trag ich sie herum und letzten Endes gibt es dann einen Punkt, meistens an einem Abend und ich male dann die halbe Nacht durch, bis das Ding ein Ergebnis erreicht hat, wo ich zumindest mal Pause machen kann. Ich habe meine Vorstellung, was ich machen will und mit dem ersten Strich, den ich mache, muss ich damit leben, dass sich das Bild entwickelt und nur zum Teil meinen Vorstellungen entspricht. Teilweise wandern dann Bilder völlig selbstständig in irgendwelche Richtungen, mit denen ich nicht rechne. Und teilweise weiß ich, was kommt und mach’s halt.
Hannah: Deine Lieblingsfarbe ist rot – was assoziierst du mit der Farbe?
Andy: Für mich hat die Farbe einen Signalcharakter, sie symbolisiert Leben genauso wie Gefahr, wie Blut im eigentlichen Sinn, wie Blut im übertragenen Sinn. Ich mag Rot ganz gern und ich verwende es auch teilweise als Hintergrund. Manchmal nehm’ ich zum Beispiel rote Tusche, das ist so extrem teuer, vor allem auch für größere Bilder, aber es hat so viel Feuer, dass es als Hintergrund, finde ich, oft wirklich gut passt. Das hebt sich dann ab und es ist für sich schon was.



Marie: Warum hast du begonnen zu malen? Was war da deine Motivation dahinter?
Andy: Ich hab davor relativ viel Kunst gesammelt und gekauft. Mein Keller quillt bis heute über. Irgendwann bin ich dann bei einer Freundin gelandet, die mich fragte, warum ich eigentlich nicht selber male und hat mir zu meinem Geburtstag damals meine erste Staffelei und Malset geschenkt. Ich habe angefangen, weil ich grundsätzlich alles mal ausprobieren will. Das hat sich so schnell verselbständigt, dass ich dran geblieben bin. Es hat einfach begonnen, Spaß zu machen. Es hat sich von dem Moment an auch entwickelt. Ich habe am Anfang viel geschüttet, dann drüber gemalt, dann wieder drüber geschüttet. Irgendwann habe ich begonnen zu zeichnen, dann habe ich Blöcke vollgezeichnet. Ich habe in der Schule schon gern gezeichnet, aber damals wurde es mir eher madig gemacht. Das klassische Zeichnen, Bildnerische Erziehung, das war halt nicht meins. Das hatte nichts mit Ausdruck und Kreativität zu tun, sondern genau schön nach Technik zeichnen und das war halt nicht meins. Ich hab dann relativ lange gebraucht, um wieder damit anzufangen. Damals war ich so Anfang, Mitte 30.
Hannah: Was machst du sonst – außer Maler zu sein?
Andy: Ich bin Jurist und arbeite bei der Stadt Wien bei der Stelle zur Bekämpfung von Diskriminierungen. Und das ist halt ein Job, wo du Jurist sein musst, damit du weißt, wie du den Leuten helfen kannst und gleichzeitig vertreten aber wir nicht vor Gericht. Wir beraten nur. Das ist quasi meine zweite Seite, ich war immer ein Jurist und ich bin mindestens genau so gerne Maler und in Wahrheit hader ich fast wirklich mit mir, was ich jetzt mehr bin. In Wahrheit brauche ich aber beides, die Juristerei ist nicht davon abhängig, dass ich auch was verkaufe.
Hannah: Was bedeutet Musik für dich, welche Art von Musik magst du?
Andy: Ich höre fast immer Musik, wenn ich male. Entweder höre ich Musik oder der Fernseher läuft. Es muss einfach irgendwer neben mir quasseln. Ich hör zwar nicht zu, aber es muss was quasseln. Dann bin ich glücklich. Musik höre ich einfach sehr gerne. Das geht von Post Punk über Rock über New Wave und moderne Sachen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es muss zu meiner Stimmung passen. Ich hab auch eine kleine Sammlung an Vinylplatten, dann grabe ich die wieder mal aus und höre sie.
Hannah: Ich kann mich noch erinnern, als wir bei dir im 1. Bezirk waren, in deiner Galerie da hast du mir ein Bild gezeigt, wo du glaube ich noch ein Junge bist. Und da sitzt du und hörst eine Schallplatte.
Andy: Ah ja, genau das hab ich inzwischen verkauft. Das war halt so meine Zeit. Ich bin aufgewachsen mit einem tragbaren Plattenspieler, das Ding war sauschwer und saugroß, aber in den Achtzigern war das halt noch so. Das war schon eine Zeit. Und was das Lustige ist, was mir aus der Zeit in Erinnerung geblieben ist, sind vor allem die Farben. Auch dieses berühmte Orange. Man kann es nicht mehr benennen, genauso wie diese Brauntöne, Grautöne. Das war halt ein Zeichen dieser Zeit und das wollte ich in dem Bild spiegeln und gleichzeitig meinen Plattenspieler auch ein bisschen huldigen und daraus ist das Bild entstanden.
Marie: Malst du alleine oder benötigst du dafür eine/n Assistent/in?
Andy: Ich bin dann fast immer alleine. Ich kann alles, was ich malen will, im Grunde auch ohne Assistenz malen. Es kommt mit meiner Spontanität nicht zurecht, das geht nur, wenn der Assistent auch genau der ist, den ich dann in der Situation brauche und wenn der grad nicht da ist, dann funktioniert das nicht. Das geht nur mit bestimmten Leuten. Und im Grunde mache ich das jetzt schon seit Jahren nicht mehr. Weil ich hier auf großen Gemälden male, die ich selber bewältigen kann, die im Grunde am Tisch liegen können. Und das funktioniert besser und ich lasse mich dann trotzdem gern von Assistenten unterstützen, das heißt, aber dann hilft er/sie mir, den Rahmen zu kleben oder Farbe anzurühren. Das war zum Beispiel ein Umweg, dass ich mit Assistenz gemalt habe, weil ich gedacht habe, ich muss meine Handfertigkeit irgendwie kompensieren.
Marie: Wie wichtig ist Natur für dich?
Andy: Ich bin eigentlich die meiste Zeit nicht zu Hause. Entweder arbeite ich hier oder ich bin Radfahrer mit meinem Handbike und fahre wirklich weit. Ich brauche frische Luft, wenn ich 2 Tage mal daheim bin, dann geht es mir schlecht.
Hannah: Was findest du, könnte man bei Galerien oder Museen oder generell in der Kunstszene noch besser machen?
Andy: Was ich generell vermisse, sind beschriebene Bilder, die dir wirklich das Bild erklären und nicht, was sich der Künstler dabei gedacht hat, weil das gibt es ja schon länger über diese Aufnahmen, die du kaufen kannst, wenn du dir das Ding um den Hals hängst. Aber das beschreibt halt eher, wie ist das Bild entstanden, was hat sich der Künstler dabei gedacht. Was ich spannend finde, ist eine Beschreibung, die wirklich das Bild beschreibt. Ohne irgendwas im Hintergrund. Und das zweite ist, man muss es halt haptisch mehr zugänglich machen. Indem man einfach Bilder abdappeln lässt. Kinder dappeln dran, Erwachsene, das ist jedes Mal ein Albtraum, aber im Grunde ist es die erste Möglichkeit, ein Bild wahrzunehmen, wenn du es nicht siehst. Und ich meine, wenn ein blinder Mensch ein Bild abdappelt und du hast jetzt nicht so strukturhaft gemalt, dass man etwas daraus abtasten könnte, dann sieht er das Motiv nicht, aber er erfährt, wie das Bild sich anfühlt und das ist ja auch eine Info.



Hannah: Was denkst du darüber, dass man viele Künstler oder Künstlerinnen, die eine Behinderung haben, in eine Schublade steckt?
Andy: Ich glaube, das ist alles in dem Begriff Art Brut zusammengefasst. Ich bezeichne mich selber als Art Brut-Künstler. Ich habe eine Zeit lang mit dem Begriff gehadert, eben weil er diesen Kontext hat. Aber ganz ehrlich, ich kann nichts dafür, in welchen Situationen Leute diesen Kontext wählen. Die Leute, die mich kennen, wissen, was ich male, warum ich es male. Und wenn sie mich in der Bubble mit Behinderung sehen wollen, dann kann ich es erstens nicht verhindern, ich werde mir auch nicht die Mühe machen, es ihnen auszureden. Jemand, der sich die Mühe macht, sich mit mir zu beschäftigen, mit meiner Malerei, wird über den Begriff Art Brut hinauskommen.
Jemand, der sich die Mühe macht, sich mit mir zu beschäftigen, mit meiner Malerei, wird über den Begriff Art Brut hinauskommen.
Marie: Was findest du echt KUSO?
Andy: Womit ich ganz schlecht leben kann, sind Menschen, die vorher schon alles wissen. Denen willst du was erzählen, so wie ich mit meinen Bildern. Sie wissen aber schon vorher, was da richtig und was da falsch ist und wie man das interpretieren muss. Ich finde das, was in Israel gerade läuft, furchtbar. Aber noch mehr zum Kotzen finde ich die Leute, die in Wien hocken und nahezu einen Herzinfarkt kriegen, weil da jetzt ganz schreckliche Dinge passieren und gleichzeitig ist ihnen völlig wurscht, wenn dem Nachbar sein Kind tot ist. An dem einen könnten sie was ändern, an dem anderen nicht. Wir haben heute echt eine Kultur angeeignet, wo empören alles ist, was wir zusammenbringen. Soweit ich mein Umfeld beeinflussen kann, versuche ich das zu tun. Man nimmt das so, weil man genau weiß, dass man nichts tun kann. Wir finden es toll, Statements abzugeben, aber wir ändern nichts. Keinen Millimeter. Im Bereich Frauen in der Gesellschaft war meiner Meinung das Wahlrecht, in den 1920ern, die letzte große Entwicklung. Aber sonst wäre mir jetzt keine Entwicklung bekannt, die wirklich dazu geführt hätte, dass Frauen massiv anders behandelt werden. Wenn du in Österreich nur in irgendein Bundesland gehst, da hast du nach wie vor traditionelle Frauenbilder. Und die Frage ist aber jetzt nicht einmal, ob das nicht so sein darf, solange ich mich diesem Frauenbild freiwillig einfüge und es auch jederzeit verlassen kann. Ich muss es ja nicht wegdenken. Wie gesagt, ich kann mir nichts wegdenken, es darf nur nicht die einzige Alternative bleiben.
Über

Andreas Walch, aka Der Walchimist, lebt und arbeitet in Wien als Jurist und Maler.
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