Candy Licious ist Dragartist, hält Vorträge in Diversity Management und Drag-Lesungen. Im Interview mit KUSO erzählt die Drag Queen mit steirischen Wurzeln über die Kunstfigur, Vorurteile in der Gesellschaft und wieso es notwendig ist, Genderrollen aufzubrechen.
Seit wann hast du eine Leidenschaft für Drag Queens/eine Drag Queen zu werden/sein?
Als ich damals in Wien zum ersten Mal gesehen habe, dass es Männer gab, die in High Heels sowie schrillen Outfits auf einem Queer Event getanzt haben, dachte ich mir: „Ok in Wien darf ich das machen, was ich in der Steiermark nicht durfte“. Jedoch hat es dann eine Zeit gedauert, bis ich es zum ersten Mal ausprobiert habe. 2017 habe ich ein Jahr lang in einer Travestiegruppe mitgespielt und das war dann auch die Öffnung zu meinem Drag-Ich. Candy Licious gibt es so richtig seit 2018, aber ich dachte mir nie, dass ich mit meiner Kunst so viel erreiche. Für mich ist es nicht eine Leidenschaft für Dragqueens sondern eher eine Leidenschaft Gendernormen aufzubrechen und meinen eigenen Körper als Kunstform zu verwenden.
Wissen deine Familie und Freunde davon? Wenn nein – warum nicht?
Alle, die mich kennen, wissen, dass ich Dragartist bin. Mittlerweile ist das auch nur mehr schwer zu verstecken, was ich sowieso nicht mehr wollen würde. Verheimlicht habe ich lange genug meine Sexualität, bevor ich mich mit 17 Jahren geoutet habe.
Wie haben deine Familie und Freunde darauf reagiert bzw. was war/ist ihre Meinung darüber?
Meine Eltern finden es mittlerweile toll, was ich mit Drag mache und welchen Einfluss ich auf eine bessere Gesellschaft habe. Zuerst haben sie es nicht verstanden. Meine Schwestern können jedoch mit DRAG gar nichts anfangen und der Rest von der Bluts-Familie auch eher nicht. Meine Chosen Family – also meine Freund*innen, haben mich immer unterstützt und werden es hoffentlich auch noch weiter tun.
Wie reagiert die Gesellschaft darauf (zB auf der Straße/in den Öffis)?
Durch Formate wie Drag-Race und der Sichtbarkeit in den Medien ist es natürlich mehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Einige reagieren sehr positiv (vor allem in der queeren Community), viele wissen nicht, was es ist und wieder andere reagieren sehr negativ und abwertend darauf. Ich werde auf der Straße oft seltsam angeschaut, was mich per se nicht stört, weil die meisten das nicht einordnen können. Was mich stört, sind dann verbale oder physische Angriffe auf mich oder andere Dragqueens. Wer mich nicht anschauen will, der soll wegschauen, aber mein alleiniges Auftreten sollte keinen anderen Menschen stören.

Mit welchen Vorurteilen hat man als Drag Queen zu kämpfen?
Das größte Vorurteil ist, dass die Menschen glauben, dass ich gerne eine Frau wäre. Da unsere Gesellschaft von Gendernormen wie Kleidung und Aussehen getrieben ist verbinden die meisten Menschen mit einem Kleid oder Make-Up das „Frau-Sein“. Aber weder ein Outfit noch die Hobbies definieren das Geschlecht. Also ich bin mit meinem biologischem Geschlecht zufrieden. Es gibt natürlich auch Dragartists, die Trans sind, aber nicht alle Dragqueens sind Männer, die gerne Frauen sein wollen. Das andere Vorurteil ist, dass man „schwach“ ist, was aber wiederrum auf das Stigma der angeblich „schwächeren Frau“ zurückzuführen ist. Und seit ein paar Jahren müssen sich Dragqueens auch den Vorurteilen stellen, dass viele glauben, dass wir damit Kinder „sexualisieren“. Es gibt Dragqueens, die Shows für Erwachsene machen und es gibt welche, wie mich, die auch mit Kindern arbeitet, aber das hat nichts mit Sexualisierung zu tun, wenn ich Kindern Kinderbücher vorlese, in denen Frösche gerne Ballett tanzen.
Ist das ein Hauptberuf oder eher ein Hobby? Oder sogar eine Lebenseinstellung?
Mittlerweile verdiene ich schon ziemlich gut damit. In Österreich ist es schwer, als Dragartist einen Hauptberuf zu haben, aber als Nebenjob kann man, je nachdem was man als Dragqueen bietet, schon ganz gut verdienen. Es macht aber einen Unterschied, ob man als Dragqueen zum Beispiel nur als DJ unterwegs ist, oder man auch noch andere Sachen wie Vorträge und Moderationen anbietet. Für mich sind all meine Berufe, die ich derzeit habe, aus einem Hobby entstanden und somit kann ich von mir sagen, dass ich meine Hobbys zum Beruf gemacht habe. Drag zu sein kann natürlich auch eine Einstellung sein, aber für mich würde es eher eine „queere“ Lebenseinstellung bedeuteten, da Drag ja nach wie vor eine Kunstform ist. Ich kann immer nur von mir sprechen und für mich ist es klar: Drag zeigt einfach, dass Genderrollen aufgebrochen werden können. Geschlecht ist nicht an Objekte gebunden. Man könnte sagen, dass dies eine Lebenseinstellung ist oder einfach ein Teil einer generell offenen Lebenseinstellung ist.
Was braucht man bzw. muss man können, um eine Drag Queen zu werden?
Man muss es wollen und versuchen. Wahrscheinlich braucht man dann auch ein gutes soziales Umfeld, das stärkt und später dann auch einiges an Kleingeld, da Outfits sehr teuer werden können. Und Platz – so eine Perücke kann schon einiges an Platz einnehmen.
Was unterscheidet deine Person im echten Leben zu der Kunstfigur auf der Bühne?
Candy ist lauter und meistens auch um einiges bunter. Sie darf sich verbal ein bisschen mehr Scherze erlauben als Berni. Aber im Prinzip sind es die gleichen Personen, nur dass Candy zuvor 2 Stunden vor dem Spiegel gesessen ist um sich zu schminken.
Karl Nehammer hat vor ein paar Monaten gesagt, er will das Binnen-i abschaffen, was denkst du darüber?
Gendern schafft Realität. Wir haben in Österreich mehr als Weiblich und Männlich und in der deutschen Sprache verwenden wir leider oft nur die männliche Form. Wenn ich in einer Runde sage: „Stellt euch einen Arzt vor“ denken die meisten an einen männlichen Arzt. Dadurch sollten wir uns bewusst werden, dass die Aussprache alleine auch die Realität abbildet und alle Menschen inkludiert.

Wer sind Menschen, die dich beeinflusst und begleitet haben?
Meine Dragmutter „Shelby O’Dignity“, die Sängerin PINK, meine Eltern und mein „House of Licious“ – also all meine Freund*innen, ohne die ich nicht da wäre, wo ich jetzt bin,
Wie wichtig ist Fashion/mode für dich als Draq Queen?
Es bedeutet für mich Freiheit und Kunst.
Was ist dein schönstest Outfit/Styling?
Das Outfit vom Regenbogenball 2024 sowie 2023.
Was würdest du deinen Hatern mit auf den Weg geben wollen?
Ich würde ihnen gerne mitgeben, dass „haten“ schlecht für die Gesundheit ist und das Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben wahrscheinlich größer ist, wenn man sich von einer bunten Person schon irritiert fühlt.
Was findest du richtig KUSO (auf Deutsch: scheiße)?
Menschenrechtsverletzungen, Hass und Gewalt.
Was ist dein schönstes Erlebnis oder problematisches Erlebnis?
Das schönste Erlebnis war der Moment bei TEDx Vienna auf der Bühne zu stehen. Das problematische war der Tag, an dem mir eine Mauer vor die Bücherei gebaut wurde. Das wichtigste war im Nachhinein die Entscheidung, meine Freund*innen als Chosen Family zu nehmen.
Über
Candy Licious, (das Alter von einer Dragqueen ist immer ein Geheimnis aber sagen wir) 27+, ist Drag Artist und ausgebildet in Sexualpädagogik und Diversity Management, hält Lesungen und möchte zusätzlich noch eine Ausbildung zum/zur Lebens- und Sozialberater*in machen.
Weitere Infos über Candy Licious findest du auf der Website:
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