Jennys Geschichte

Jenny ist eine junge Frau in Wien. Sie ist obdachlos und auf einen Rollstuhl angewiesen. KUSO-Autorin Marie traf die 31-jährige auf der Mariahilfer Straße. Das Porträt zeigt Einblicke aus dem Leben einer jungen Frau und ihrem Weg durch die Obdachlosigkeit.

Jenny, eine 31-jährige Frau aus Wien, Österreich, hat eine bewegte und schwierige Lebensgeschichte. Geboren und aufgewachsen in Wien, hatte sie eine herausfordernde Kindheit. Ihre Mutter war minderjährig, als sie Jenny zur Welt brachte, weshalb Jenny ihre frühen Jahre in Heimen und bei Pflegeeltern verbrachte. Ab ihrem achten Lebensjahr kam sie schließlich zu ihrer Mutter und wuchs bei ihr auf. Trotz dieser frühen Instabilität beschreibt Jenny ihre Zeit mit ihrer Mutter als eine gute Kindheit. Diese glückliche Zeit endete abrupt, als ihre Mutter 2018 im Alter von 41 Jahren verstarb.

Jennys Leben verschlechterte sich weiter nach der Trennung von ihrem gewalttätigen Ex-Freund. Sie verließ die gemeinsame Wohnung in Krems und zog nach Wien. In Wien fand sie zunächst Unterkunft in einem sogenannten Chancenhaus, einer Art Übergangswohnheim, wo sie ein Zimmer mietete. In solchen Einrichtungen können Bewohner*innen für maximal zwei Jahre bleiben, bevor sie Anspruch auf eine Gemeindewohnung haben. Jedoch änderte sich Jennys Leben dramatisch, als sie vor fünf Monaten aufgrund einer Infektion im Hüftgelenk in den Rollstuhl kam. Die Hüftgelenkinfektion führte dazu, dass das Gelenk entfernt werden musste, was sie stark in ihrer Bewegungsfähigkeit einschränkte. Da das Chancenhaus nicht barrierefrei war, musste sie ausziehen.

Jenny erlebte nicht nur physische, sondern auch psychische Traumata. Während ihrer Zeit in Heimen und Pflegefamilien wurde sie sexuell missbraucht, was tiefgreifende Spuren in ihrem Leben hinterlassen hat. Diese Missbrauchserfahrungen haben ihr Vertrauen in Menschen schwer beschädigt und sie in ihrer emotionalen Entwicklung stark beeinträchtigt. Die schmerzlichen Erinnerungen und die anhaltenden psychologischen Folgen belasten sie bis heute.

Jenny (c) Marie Kuso

Derzeit lebt Jenny in der Gruft, einer Einrichtung für Obdachlose in Wien, die sowohl Tages- als auch Nachtschlafplätze bietet. Ihre Situation ist jedoch alles andere als ideal. Jenny ist im Substitutionsprogramm, was bedeutet, dass sie medikamentös behandelt wird, um von Drogen loszukommen. Trotz ihrer gesundheitlichen Probleme hat sie keine Pflegestufe und erhält nur die Mindestsicherung. Ohne Pflegestufe hat sie keinen Anspruch auf zusätzliche Assistenz, die sie dringend benötigen würde. Sie hofft, dass ein bevorstehendes Treffen mit ihrer Sozialarbeiterin zu einer Verbesserung ihrer Situation führen wird.

Das Leben auf der Straße ist für Jenny äußerst schwierig und gefährlich. Sie hat bereits zweimal erlebt, dass ihr Rucksack gestohlen wurde, und sie sieht sich häufig mit Gewalt konfrontiert. Als Frau und Rollstuhlfahrerin ist sie besonders verwundbar. Zusätzlich zu diesen physischen und emotionalen Herausforderungen muss sie sich auch mit den Vorurteilen der Gesellschaft auseinandersetzen. Viele Menschen glauben, sie täusche ihre Behinderung vor, um Mitleid und finanzielle Unterstützung zu bekommen.

Jennys Geschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Komplexität und Härte des Lebens auf der Straße. Trotz all dieser Herausforderungen zeigt sie eine bemerkenswerte Resilienz und hofft auf bessere Zeiten, während sie weiterhin in der Gruft Unterstützung sucht und auf eine stabilere Zukunft hinarbeitet.

Über die Gruft

Die Gruft der Caritas Wien bietet obdachlosen Menschen einen sicheren Zufluchtsort an, ein warmes Essen, einen Platz zum Schlafen, saubere Kleidung und die Möglichkeit zu duschen.

Weitere Infos findest du hier:

Gruft

Chancenhaus

Hinterlasse einen Kommentar