KUSO traf den Dichter und Musiker Thomas Andreas Beck im Phil Café im 6. Wiener Gemeindebezirk auf ein Plauschal und eine Melange. Im Interview spricht er über die österreichische Seele, seinen neuen Gedichtband „Der Keller ist dem Österreicher sein Aussischtsturm“, warum er in der Mundart singt und weshalb er den Titel seines aktuellen Gedichtbands nicht gegendert hat.
Wie würdest du die österreichische Seele in 3 Worten beschreiben?
Keller. Aussichtsturm. Und Wald.
Wie bist du jetzt auf die Wörter gekommen?
Die österreichische Seele ist zerrissen. Keller steht für mich für rückwärtsgewandt und nicht sehr weitblickend, zum Depressiven und Selbstvernichtenden tendierend. Dann gibt es einen anderen Teil in der österreichischen Seele, der ist unglaublich visionär und weitsichtig und erleuchtet und intellektuell, künstlerisch gestaltend. Und Wald, weil Österreich ein Binnenland ist. Der Wald ist unser Meer.
Welche Themen verdrängt man gerne in Österreich und wieso?
Verantwortung. Pauschalurteile zum ganzen Land können nur falsch sein, aber ganz grob drauf geschaut, glaub ich, mehrheitlich verdrängt man gern Verantwortung. Tendenziell weiß man sehr rasch, wer schuld ist, aber nicht, wer sich um die Lösung kümmert. Wir verdrängen gerne unsere eigene Kleinheit. Als Land sind wir ein kleiner Punkt aus dem Weltall betrachtet, da verdrängen wir, dass wir nicht so wichtig sind in dem Sinne von Weltbedeutung. Sich gerne selbst überhöhen, weil wir halt im Skifahren schnell sind oder so. Und vielleicht verdrängen wir am meisten unsere Vielfalt. Also der Österreicher glaubt von sich selbst, dass er eben ein Sonderwesen ist. Und in Wahrheit sind wir eines, ein sehr zusammengeflossenes Volk mit ganz vielen unterschiedlichen Menschen, Zuströmen, ein totaler bunter Topf.
Inwieweit hat Thomas Bernhard dich literarisch geprägt?
Ich habe spät zum Thomas Bernhard Lesen angefangen, allerdings dann zum Verschlingen. Ich finde mich enorm in ihm. Und seitdem ich ihn kenne, trägt er mich. Wahrscheinlich eher unbewusst. Diese Radikalität, dass man Dinge kritisieren kann, obwohl man es ja so liebt. Eine Hassliebe ist, diese tiefe Überzeugung, dass sich etwas, das ich liebe, kritisieren muss, damit das Grausliche aufhört in dem Leben. In dem bewundere ich ihn sehr, in seiner Art zu schreiben, im Mut, einem Schreibstil zu leben, der nur er selbst ist. Werner Schwab bringt mich da genauso hin, weil er mich ermutigt. Oder Elfriede Mayröcker oder Ernst Jandl. Dieses depperte Wort Nestbeschmutzer, ich erleb mich eher als Nestreiniger.
Hast du oder was ist dein Lieblingsgedicht aus deinem Buch „Der Keller ist dem Österreich ist sein Aussichtsturm“?
Das hängt sehr von meiner Verfassung ab. Oder vom Kontext. „Die Wirtschaft ist eine Scheibe“. In fünf Worten sagt es, der vertrottelte Wahnsinn unseres Wirtschaftslebens mitwachsen, wachsen, wachsen und nicht wissen, dass wir eine Kugel sind. Ein Gedicht, das ich bisher ganz selten gelesen hab, heißt „Asylantragformular“:
„Formular für einen Blumenstrauß mit Willkommensgruß, ein Fest für dich mit Tanz und Nacht ohne Schlaf, jede Menge Fragen an dich. Was fühlst du, woher kommst du, wie deine Reise war, wie du vermisst, was deine größte Angst, was dein Bild ist der Traum. Nicht zuletzt, sondern gleich die Frage aller Fragen. Was kannst du besonders gut, was begeistert dich, welches Talent, was bist du bereit zu geben für einen neuen Anfang?“
Dieses Gedicht Asylantragformular ist derzeit mein Lieblingsgedicht, was beides in sich hat. Das hat eine große Offenheit zur Veränderung, Zuwanderung, Vielfalt. Es ist zugleich auch eine Forderung, Verantwortung zu übernehmen für unser Dasein. Bei aller Bedürftigkeit, die wir haben und was kann ich im Sinne von Talent und von mitgestalten. Und ich glaube, dass man, wenn man da durchbrechen könnte, man diesen ganzen Grant und die geschürten Ängste, besser in den Griff kriegen könnte.
Neben dem Schreiben bist du auch als Musiker tätig. Worin unterscheidet sich die Tätigkeit für dich, was machst du lieber oder beides zugleich gern?
Derzeit bin ich lieber Dichter. Eine brutale Antwort insofern, das klingt biss`l wie ein Handicap für mich. Ich höre seit einiger Zeit keine Melodien. Ich hab` eine Zeit gehabt, da hat mich das musikalische der Welt erfasst und ich habe Lieder gehört. Nur dieser Urimpuls, der mich derzeit trifft, den ich brauche als Künstler, der direkteste Impuls ist nicht das, was ein Lied ausmacht, sondern das, was einen Poeten, ein Gedicht ausmacht. Und das Musik weglassen, das macht mich seit zwei Jahren komplett frei fürs Gedichte schreiben. Da ist das Maximum an Verdichtung drin.



Und hast du die Gedichte schon? Also schreibst du dir auf einmal im Ganzen oder hast du, kommst du dann immer wieder zurück und schreibst dann um oder was neu oder schreibst du das zu einem Gedicht?
Ich schreibe die Gedichte kaum oder gar nicht um. Ich schreibe sie an der Schreibmaschine, setze mich hin, konzentriere mich. Es kann mitten im Alltag sein, also jetzt, zu den Gedanken, das ist ein Gedicht. Dann habe ich da meine Schreibmaschinen stehen, es sind Hermes Babys, und schreib`s und das ist beim Schreibmaschinenschreiben das Instrument. Die Schreibmaschine, das ist wie live, das muss picken. Dann muss ich vorher wissen, was es werden soll und mich darauf einlassen, dass es sicher gut wird. Bei komplexen Gedichten gehe ich dann noch mit dem Stift drüber und schreibe es nur ein zweites Mal auf der Schreibmaschine, aber dann wieder von vorne weg.
Deine Songs sind auch oft sehr politisch, zum Beispiel der Song Demokratie. Welche Rolle spielt Politik für dich in deinem Leben?
Politik im Sinn von System, das politisch ist. Ein bisschen paradox. Ich bin kein Politiker, darum sollte es gar nicht so eine große Rolle für mich spielen. Das ist eigentlich eine Service-Organisation für uns Menschen, für unsere Gesellschaft. So gesehen ist das nur ein Rahmen und eine technische Lösung ist, damit Gemeinschaft gelingt. Jetzt braucht man Politik, so gesehen, beschäftigt es mich viel zu viel, weil ich politisch denke. Politisch bin ich im Sinne eines gesellschaftlichen Nachdenkenden kreativen, streitbaren Menschen. Ich agiere als Künstler und Aktionist politisch. Vor eineinhalb Jahren hab ich gemeinsam mit Freunden ein Festival „Österreich ist frei – Symposion für politische Inspiration“ veranstaltet. Mit Fabian Burstein veranstalte ich gemeinsam im August ein Fest in Wieden, das Wiednerstand- ein Festival für politischen Diskurs. Wir können alle politisch sein, eine Nachbarschaftsinitiative gründen, ein Magazin gründen, ein Festival machen, ein leiwandes Lied schreiben, kontinuierlich auf uns einwirken, damit man das, also was ich mir schon mal zutraue, das Wahlverhalten von manchen Leuten zu beeinflussen, im Sinne von schaut`s, denkt`s nach.

Du singst in der Mundart, wieso?
Weil`s meine Muttersprache ist.
Was bedeutet Mundart oder Dialekt für dich? Also es ist eine Herzenssprache, kann man sagen, oder?
Im Sinne von, eine mir in der emotionalen Kraft am nähesten gebaute Sprache. Ich glaube, dass ich sogar manche komplexen Zusammenhänge im Hochdeutschen besser beschreiben kann, einen Vortrag halten oder etwas erklären. Im Dialekt kann ich Emotionen besser rüberbringen, da sage ich oft in Wien, „eh“, oder „oida“ oder „geh bitte, reiß di zam“. Was mir im Dialekt mit „ge bitte“ machen können mit dem Schmäh. Das siehst eh in Deutschland mit dem Schmäh, das geht sich dort kaum aus.
Wird es das Buch auch als CD geben mit vertonter Musik?
Vielleicht, ist aber nicht geplant. Aber es ist ein Gedanke. Nicht als CD, weil die sind gerade ganz am Abschmieren und sicher nicht auf Spotify. Vielleicht als Kassette oder Vinyl, das reizt mich sowieso immer mehr.
Was sind deine Projekte für das Jahr 2024.
Das neue Buch „Im Keller“ ins Leben bringen. Ein Buch schreiben ist schön, das kann auch sehr anstrengend sein, aber es hinauszutragen, das bedeutet, es ein bis zwei Jahre zu vermitteln, das ist mein Hauptprojekt für 2024. Und das Festival „Wiednerstand“ Ende August in Wieden am 30., 31. August und 1. September.
Was findest du echt KUSO? KUSO kommt ja aus dem Japanischen. Es steht auch für Kunst, Soziales. Im Japanischen heißt KUSO scheiße.
Die aktuellen FPÖ-Plakate finde ich richtig richtig scheiße. Die FPÖ macht immer Werbung, aber da haben sie echt eine Grenze überschritten, das ist tiefste Triebpropaganda, wie es zum Beispiel für die 30er Jahre bis zum Zweiten Weltkrieg hin üblich war, wo zutiefst Hass vermittel wurde. Hassschürende Zeichnungen, die den Selensky mit der Von Der Leyen schmusend zeigen. Impfchaos, sie propagieren das jetzt, so aufs tiefste. Und da steht dabei „Stoppt den EU-Wahnsinn“. Das ist Propaganda im tiefsten Sinn. Das finde ich echt KUSO!
Was mir aufgefallen ist, ich war letztens auf einer Ausstellung und da hab ich dein Plakat gesehen, da war Österreicher durchgestrichen und da stand dabei „Gender doch!“ Was denkst du darüber?
Das lieb ich, dass da wer was draufschreibt. Aber die Person hat Recht, hat vollkommen Recht. Ich als Künstler hab` das aber entschieden, dass ich da die Männer meine. Ich spreche da die Männer an, alte weiße Männer, Narzissten. So schade, dass ich das Plakat nicht gesehen hab, das find ich großartig. Wer das Buch kauft und liest, wird draufkommen, was ich da dran alles kritisiere.
Über
Thomas Andreas Beck, 1968 in Wien geboren, ist Liedermacher, Dichter und Autor. Sein neuester Gedichtband „Der Keller ist dem Österreicher sein Aussichtsturm“ ist ab sofort im Handel erhältlich.
Weitere Infos über Thomas Andreas Beck und seinen Lesungen findest du hier:
Fotos Credits: Capture The Show
