GLITCH

„GLITCH – Die Kunst, die störte“ ist der Titel des Comics der Künstler Michael Pfitzner und Andreas Familler. Im KUSO-Interview sprechen die beiden über eine außergewöhnliche Kunstaktion, einen Fehldruck und die verzerrte Wahrnehmung durch die Medien. Der Comic erzählt von all dem – und noch mehr.

Gerhard: Wer seid ihr, woher kommt ihr, und was hat es mit GLITCH auf sich?

Michael: Ich bin Michael, und das ist der Andreas.

Andreas: Und ich bin der Fehler.

Gerhard: Was ist der Hintergrund eures Comics GLITCH – Die Kunst, die störte? Was bedeutet Glitch?

Michael: Glitch bedeutet Fehler oder Störung. Aber du bist ja der Störer, Andi – also erzähl besser du.

Andreas: Letztes Jahr im Februar gab es eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne mit dem Titel „GLITCH – Die Kunst der Störung. Thema war die Realitätsnähe der Medien, normative Ordnungen und gesellschaftspolitische Disparitäten.

Michael: Ja, es war eine Gruppenausstellung, in der sich verschiedene künstlerische Positionen mit Fehlern auseinandergesetzt und bewusst mit ihnen gearbeitet haben.

Andreas:
Ich hatte zu der Zeit einen Nebenjob als Ausstellungstechniker. Beim Aufbau einer anderen Ausstellung fiel mir ein digitaler Fehldruck in die Hände – also ein echter, ungewollter Fehler.
Im Kopf hatte ich noch das Interview der Kuratorin, in dem sie sagte: „Wir können uns ohne Fehler nicht weiterentwickeln, und wir sollten Missgeschicken mit einer gewissen Gelassenheit begegnen.“
Das Ausstellungsthema, der Fehldruck und dieses Interview haben mich auf die Idee gebracht, die Glitch-Ausstellung zu stören. Ich wollte wissen, ob die Kuratorin und das Museum tatsächlich so denken, wie sie es nach außen darstellen.
Also habe ich zwei Löcher in die Wand gebohrt – was übrigens nichts Ungewöhnliches im Museumsbetrieb ist – und den 120 × 60 cm großen Fehldruck, übermalt mit weißer Farbe, im Eingangsbereich der Ausstellung aufgehängt.
Der Comic erzählt davon – und von allem, was danach passiert ist.

Gerhard: Was ist danach passiert?

Andreas: Fristlose Kündigung. Ich musste einen Auflösungsvertrag unterschreiben, bekam Hausverbot in allen Münchner Staatsgemäldesammlungen und eine Anzeige wegen Sachbeschädigung.
Medial ging die Geschichte um die ganze Welt – wurde aber völlig falsch dargestellt. So viel zur Realitätsnähe der Medien

Auszug aus dem Comic GLITCH – Die Kunst, die störte (c) Michael Pfitzner, Andreas Familler

Gerhard: Wie kam es dazu, dass ihr gemeinsam den Comic gemacht habt?

Michael: Zuerst wusste ich gar nicht, dass Andreas hinter der Aktion steckte. Wie alle anderen hatte ich die Geschichte aus den Nachrichten erfahren. Erst als ich ihn traf und er mir alles erzählte.

Ich fand die Reaktion des Museums sehr enttäuschend. Besonders der Artikel in der Süddeutschen Zeitung hat mich aufgeregt. Dort wurde Andreas als „selbst ernannter Künstler“ dargestellt, der nur ein Bild aufgehängt habe, um berühmt zu werden. Auch die Stellungnahme der Pinakothek tat so, als sei er kein „richtiger“ Künstler und als wäre es keine Kunstaktion gewesen.
Das empfand ich als Angriff – nicht nur auf Andreas, sondern auf alle Künstler. Für mich ist klar: Jemand ist Künstler, wenn er sich selbst dazu ernennt. Dafür braucht es keine Institution. Wir können gerne darüber diskutieren, ob etwas gute oder schlechte Kunst ist – aber Kunst ist es auf jeden Fall.

Andreas: Ich wollte zeigen, dass die hochgehaltene Botschaft über Fehler in der Praxis ganz anders aussieht.

Michael: So kamen wir auf die Idee mit dem Comic. Meine Abschlussarbeit an der Akademie der Bildenden Künste München war ein Comic namens „WHY,“ und seitdem gibt es regelmäßig Comics von mir.

Andreas: So erzählen wir auf eine angenehm künstlerische Weise die wahre Geschichte.

Michael: Genau. Uns war es wichtig zu zeigen, dass man mit Vorfällen auf unterschiedliche Weise umgehen kann, was Kunst sein kann und was es bedeutet, ein Künstler zu sein.
Eigentlich haben wir die Kuratorin der Ausstellung sehr ernst genommen: „Fehler als Chance sehen und sich nicht so ernst nehmen.“

Andreas: Das Comic haben wir erst einmal selbst drucken lassen – eine kleine Künstleredition von 200 Stück. Jetzt suchen wir einen Verlag, der Interesse an einer Veröffentlichung hat.

Gerhard: Was gefällt dir, Michael, am Genre Comic?

Michael: Im Gegensatz zur Malerei gibt es nicht das eine Bild, das all die Spannung einfangen muss. Für mich hat das Medium etwas sehr Filmisches – nur ohne den ganzen Aufwand und die Kosten.
Man kann es alleine machen, und da ich digital zeichne, kann ich die Arbeit überallhin mitnehmen. So konnte ich beispielsweise am Strand zeichnen – was auch im Comic zu finden ist.

Gerhard: Was stört euch an Museen oder an der Kunstszene?

Andreas: Das Machtgefälle. Die Angst, Fehler zu machen. Strenge normative Ordnungen. Akademisch handelnde Kuratoren (m/w/d). Das elitäre Gehabe drumherum. Fehlender Humor und fehlende Gelassenheit.
In der Kunst ist es wohl nicht anders als in der Politik, wenn es ums Geld geht.

GLITCH – Die Kunst die störte, Comiccover (c) Michael Pfitzner, Andreas Familler

Gerhard: Was ist Kunst für euch?

Im Comic gibt es den Satz: „Künstler ist man, sobald man sich selbst dazu ernannt hat. Keine äußere Institution wird dazu benötigt. Umgekehrt ist es bei Arschlöchern.“

Andreas: Kunst ist das Leben an sich – und die ständig neuen Reaktionen darauf.

Michael: Im Comic gibt es einige kunsthistorische Referenzen und Künstler, die ich sozusagen paraphrasiere. Beispielsweise Andrea Fraser, die sich intensiv mit Institutionenkritik beschäftigt hat. Oder Timm Ulrichs, den wir beide sehr schätzen. Und natürlich Marcel Duchamp, der Erfinder des Readymades – also von Objekten, die aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst und als Kunst inszeniert werden.
Daher glaube ich: Jeder ist Künstler, wenn er sich selbst dazu ernennt. Arschlöcher hingegen werden ernannt.

Gerhard: Was findet ihr #echtkuso?

Andreas: Ich glaube, wenn man etwas freundlich sagt, nehmen es die Leute besser auf, als wenn man sie anschreit. Man könnte einfach mal einen Gang zurückschalten. Warum nicht zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen?

Michael: Da stimme ich zu. Das Laute und Verrückte wurde Künstlern in unserer heutigen Zeit von Wahnsinnigen aberkannt. Vielleicht brauchen wir keine Exzentriker mehr. Vielleicht muss der neue Punk freundlich und rational sein.

Über die Künstler

Andreas Familler ist Bildhauer, Schreiner und Assistent in der Holzwerkstatt der Akademie der Bildenden Künste München. Er lebt und arbeitet in München.

https://www.sammlung-familler.de/

https://www.instagram.com/sammlung_familler/

Michael Pfitzner, geb. 1993, ist Maler, Druckgrafiker, Filmemacher und Comiczeichner. Er lebt und arbeitet in München.

https://www.michaelpfitzner.de/

https://www.instagram.com/why_novel/

Das Comic ist online über DM an die Künstler auf Instagram erhältlich.

Weitere Infos:

https://www.sonntagsblatt.de/artikel/glitch-kunst-ausstellung-pinakothek

https://www.sonntagsblatt.de/artikel/epd/ausstellung-glitch-erhebt-fehler-zur-kunstform

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-pinakothek-der-moderne-mitarbeiter-eigenes-bild-1.6532007

https://www.br.de/nachrichten/kultur/mitarbeiter-bild-in-pinakothek-der-moderne-doch-eine-kunstaktion,UBzfgLA

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