MotionComposer – Musik durch Bewegung

Robert Wechsler ist Tänzer, Choreograf und Entwickler des MotionComposers. Das Gerät ermöglicht es Menschen mit Behinderung, durch Bewegung Musik zu erzeugen. Im KUSO-Interview sprechen Robert und seine Kollegin Daniela Lehmann darüber, was das Besondere an dem Gerät ist, wie es zur Inklusion beiträgt und neue Projekte.

Wie kam es zur Idee und Entwicklung vom MotionComposer?

Robert: Der Motion Composer ist ein Gerät, das wir vermarkten, das Tanz und Musik verbindet. Ich hatte eine Tanzfirma in den USA und dann in Deutschland, die hieß Palindrome. Wir haben immer wieder interaktive Tanzstücke mit Technologie aufgeführt. Wir haben mit Videokameras und Elektroden und allen möglichen Sensoren zusammen mit verschiedenen TänzerInnen auf der Bühne zusammengearbeitet. 2010 ist eine spanische Wissenschaftlerin zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob wir nach Spanien reisen wollen, um mit Kindern mit Kinderlähmung zu arbeiten.

Als wir dann zurück in Deutschland waren, kam die Idee, dieses Verfahren mit Technikern und Computer in eine handhabbare Form zu bringen, in ein Gerät, das alles in einem hat und leicht zu bedienen ist. Jetzt, zehn Jahre später, sind bereits 100 Stück in Deutschland und in der Schweiz im Einsatz.

Was sind die Vorteile des MotionComposers für Menschen mit Behinderung und wie können sie diesen konkret verwenden?

Robert: Unsere Idee ist, dass jeder Mensch mit oder ohne Behinderung, Musik in sich hat und tanzen kann. Man braucht kein besonderes Training oder Fähigkeiten, um zu musizieren und um zu tanzen. Das ist eine universelle Ausdrucksweise und genauso ist das Gerät konzipiert, dass jeder musizieren kann.

Eine spezielle Sensorik im MotionComposer macht es möglich, dass man sich bewegt. Wenn man eine Geste in der Luft macht, macht das Gerät Musik daraus. Man bedient es mit einem kleinen herkömmlichen Tablet. Durch das Tablet ermöglicht man dann Einstellungen für Musik und Bewegung, also durch die Bewegung entsteht die Musik. Die Software hilft dabei, Musik zu spielen.

Genauso hilft diese Technologie mit Bewegung und Gesten Musik zu machen. Zum Beispiel muss man den Arm nicht kontrollieren können. Das Gerät ist extra so gebaut und jeder ist fähig, zu musizieren. Das ist Teil des MotionComposers und des dazugehörigen Inklusionskonzeptes.

Habt ihr eine inspirierende Geschichte aus eurer Arbeit jetzt mit dem MotionComposer?

Robert: Da war ein kleiner Junge mit Autismus. Er stand auf der Bühne mit uns und hat mit seinen Bewegungen musiziert. Ich habe in den Zuschauerraum geguckt. Normalerweise schauen bei einer Aufführung oder einem Theaterstück, die meisten Leute einfach still zu, aber es gibt auch immer wieder welche, die im Programm lesen oder mit dem Nachbar sprechen, ich war zu diesem Zeitpunkt auch selbst auf der Bühne.

Ich habe diese Leute angeschaut. Da war kein einziger Mensch, der nicht berührt von diesem einen Jungen auf der Bühne war. Das hat mir gezeigt, dass vor allem Menschen mit Behinderung manchmal einen sehr ergreifenden Eindruck hinterlassen können, das war sowas ganz Besonderes, so ehrlich. Viele gehen auf die Bühne und versuchen, irgendwas etwas zu zeigen oder zu sein.

Ich finde, der Junge hat sich auf sehr authentische Weise ausgedrückt. Es war nichts Prätentiöses daran. Das hat mir gezeigt, da gibt es ein großes künstlerisches Potential, eine Art mit Menschen zu interagieren, mit der Gesellschaft zu interagieren, durch Kunst, durch Musizieren, durch Tanzen.

Gehen Menschen mit Behinderung anders mit Tanz oder Musik um?

Robert: Ich würde das nicht so sagen. Menschen sind Menschen, alle haben Geschmack an Musik, alle haben Geschmack an Bewegung, Tanz und Rhythmus.

Ihr bietet auch Workshops mit dem MotionComposer an – wie sehen diese genau aus?

Daniela: Wir machen Workshops mit Kindern bis hin zu Erwachsenen. Von Menschen, die schwere körperliche Behinderungen haben bis hin zu Profitänzern. Robert und ich fahren zu den Orten, die den MotionComposer kennenlernen wollen und mit ihm arbeiten wollen, d.h. die Leute müssen jetzt nicht irgendwo hinkommen, das ist das flexible bei MotionComposer. Im besten Fall gibt es schon einen Motion Composer vor Ort.

Wir bieten Miniworkshops an für Unternehmen und Organisationen, diese sind kostenlos für die Institutionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Man hat dann Projekte, zum Beispiel ein Musikprojekt, wo man mit einer kleinen Gruppe ein Musikstück zusammen aufbaut oder ein Theaterstück.

Man kann mit dem MotionComposer in Rollen schlüpfen, das bringt spielerisch Bewegungsmotivation. 50 Prozent unseres Projektes ist es, nicht nur ein tolles Gerät zu entwickeln, sondern auch die Anwendungsszenerien weiterzuentwickeln.

Daniela: Je mehr man mit dem Gerät arbeitet, desto besser lernt man es kennen. Und je mehr Information wir von den Anwendenden bekommen, desto mehr wissen wir was es braucht, um das Gerät gut benutzen zu können. Letztens war ich bei einem Workshop in Wien, da war auch eine Musiktherapeutin, ein Physiotherapeut und Sozialarbeiterinnen mit dabei. Das waren so verschiedene Bereiche und alle fanden es super. Sogar der Physiotherapeut hat gesagt, wenn er mit seinen Klienten Übungen macht und wenn er da den Motion Composer dabeihätte, da wäre eine ganz andere Motivation sich zu bewegen, da wäre die Freude da. Er war begeistert und die Musiktherapeutin hat auch gemerkt, dass es etwas anderes ist, wenn die Person direkt den Sound macht und nicht eine andere Person den Sound für sie übersetzt.

Ich fand es super die Personen aus den verschiedenen Bereichen zu sehen und jede hatte eine Idee für die Verwendung des MotionComposers.

Was sind eure Pläne für das Jahr?

Robert: Mein Hauptinteresse ist es, den MotionComposer weiterzuentwickeln. Ein Hilfsmittel, das Farben erzeugt und eine Verbindung schafft. Es bietet verschiedene Vorteile im Vergleich zu einer mit Videokamera basierten Schnittstelle.

Wir entwickeln neue Klangumgebungen. Ein sprachlicher Klang wird mit Bewegung erzeugt, man kann also durch Bewegung sprechen. Laute, Töne, alles was mit der menschlichen Sprache zu tun hat, wird in eine Klangumgebung kommen. Zur Erklärung: MotionComposer hat verschiedene Klangumgebungen. Es gibt im Moment sieben verschiedene Klangumgebungen, sieben verschiedene Welten.

Eine Welt sind zum Beispiel Naturgeräusche und Tiere. Eine andere heißt tonale Musik. Die westliche und östliche, also Notenmusik mit Akkorden sind da mitinbegriffen. Dann gibt es auch eine Klangumgebung, die heißt Musikerversion. Diese ermöglicht es, die Akkorde selbst einzugeben und zu programmieren, so dass man ein bestimmtes Lied spielen kann.

Daniela: Mein persönliches Ziel ist es, Grenzen zwischen Menschen aufzuheben. Menschen zu verbinden, durch Treffpunkte, Orte sowie Spielmöglichkeiten, so wie mit dem Motion Composer, wo man einfach zusammen ist und es keine Rolle spielt, was ich kann, was ich nicht kann, ich habe die gleiche Ausdrucksmöglichkeit lediglich mit unterschiedlichen Mitteln.

Über

Robert Wechsler ist Entwickler des MotionComposer, Tänzer und Choreograf.

Daniela Lehmann ist Verantwortliche für Workshops und Präsentationen, Tanzimprovisationskünstlerin und Choreografin.

Weitere Infos über den MotionComposer findest du hier:

motioncomposer.de


Das Interview führten Hannah Richlik und Gerhard Fibi.

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