Der Franziskushof ist nicht nur ein typischer Weinviertler Bauernhof am Ortsrand von Drösing an der March. Er ist auch ein barrierefreies Begegnungszentrum für Menschen und Tiere. Im Gastbeitrag schreibt Ulrike Glösmann über den inklusiven Bauernhof von Dr. Martin Elisabeth. Was den im Weinviertel gelegenen Franziskushof auszeichnet und wie die promovierte Biologin und Gestaltpädagogin den Hof leitet, erfahrt ihr hier im KUSO-Gastbeitrag:
Spaziert man vom Bahnhof Drösing den Feldweg entlang der Zuggleise, erblickt man an diesem schönen Sommertag duftende Hollunderblüten-Sträucher, blühende Apfelbäume und vieles mehr. Raus aus der Stadt, rein ins Land – wunderbar.
Bald sehe ich den Bauernhof von Frau Dr. Martin Elisabeth, ein traditioneller Weinviertler-Hof, mit einer „Trettn“ (und einem Stallbereich), einem Lagerbereich und einem Wohnhaus. Bevor ich jedoch an dem großen, grünen Holztor klopfe, höre ich Kajetan, den Haushahn, er und seine Damen – allesamt gerettete Hühner – sind nur ein kleiner Teil der fast 57 Tiere auf dem Hof von Frau Martin. Sie öffnet freudestrahlend das Tor und es ist bald zu erkennen – der Franziskushof – so von Frau Dr. Martin benannt – ist besonders und zwar in vielerlei Hinsicht.
Über den Innenhof erstreckt sich eine Wiese, die ein Auslaufbereich und gleichzeitig sozusagen ein Vergnügungspark für alle Tiere ist. Die Schafe knabbern an den Rosensträuchern, die Hühner nehmen ein wohliges und reinigendes Sandbad, die Laufenten nutzen jede Wassergelegenheit und die Schildkröten dürfen sich frei bewegen. Von der „Trettn“ zum Lager – und dem Seminarhaus – gibt es einen barrierefreien Weg, da sich die Gästezimmer und das barrierefreie Bad auf unterschiedlichen Hofseiten befinden. Dadurch ist es Gästen mit Behinderungen möglich ohne Behinderungen quer durch den Hof zu gehen. Diesen Weg hat Frau Martin mit ihrem Assistenten gebaut, und zwar mit persönlicher Assistenz, denn sie ist selbst eine Frau mit Sehbehinderungen. Doch die Zuschreibung „eine Frau mit Sehbehinderungen“ wird ihr, wie allen Menschen mit Behinderungen, so finde ich, absolut nicht gerecht. Sie ist eine wahre Pionierin und Visionärin und lässt nichts unversucht einen inklusiven Bauernhof nach ihren Vorstellungen umsetzen zu können. Außerdem ist sie promovierte Biologin, Gestaltpädagogin, Coach in Tiergestützter Therapie, LIMA Trainerin und vieles mehr.



Ihr Traum war und ist einen Ort des Angenommenseins für alle Menschen zu erschaffen und Tieren in Not ein neues zu Hause und eine neue Aufgabe zu geben. Mit persönlicher Assistenz am Arbeitsplatz kann sie dies umsetzen, diese muss jedoch jedes Jahr neuerlich beantragt werden. Die Tage bis zur Bewilligungszusage der Assistenz bringen verständlicherweise immer ein wenig Unruhe mit sich. Sie könnte – ihrem Alter entsprechend – bereits die Pension genießen, in Niederösterreich erhält man jedoch erst ab einer bestimmten Pflegestufe eine Freizeitassistenz. Frau Martin würde, aus heutiger Sicht, in der Pension keine persönliche Assistenz mehr erhalten. Sie arbeitet jedoch sehr gerne und so stellt sie jedes Jahr aufs Neue einen Antrag auf persönliche Assistenz und hofft, dass das gesamte Projekt fortgeführt werden kann – bisher erfolgreich. Frau Martin lässt sich in keine Schublade stecken und gestaltet ihr Leben, so, wie wir alle am liebsten selbst – nämlich selbstbestimmt. Die persönliche Assistenz ermöglicht dieses selbstbestimmte Leben allen Menschen soweit als möglich und in fast allen Lebenslagen, sei es in der Arbeit oder in der Freizeit. Ohne persönliche Assistenz wäre für Frau Martin dieser Hof ganz klar nicht realisierbar.
Der Franziskushof – für Gäste mit Kindern, ohne Kinder, Menschen mit und ohne Behinderungen, pflegende Angehörige mit und ohne den zu pflegenden Personen sind willkommen. Tiere, auch kranke oder gerettete Tiere, wie Meerschweinchen, Hasen, Schildkröten, französische Zwergschafe und viele mehr werden ebenso bestens umsorgt am Franziskushof. Mit manchen Tieren absolviert sie regelmäßig mobile Streichelzoos, bei welchen Kinder und ihre Eltern im Umgang mit den Tieren wichtige Kompetenzen erlernen können – wie Achtsamkeit, Respekt, Wertschätzung, Sensibilität ua.. Für Frau Martin sind dies wichtige Eigenschaften und die Tiere die besten Lehrmeister:innen.
Wir sitzen auf der Terrasse, neu gebaut, mit Blick auf die wunderschöne „Trettn“ umzogen von Weinviertler-Weinstöcken und den ersten Weintrieben und einer Holzleiter die zum Heustall in das obere Geschoß des Hofes führt (siehe Titelbild). Werner, ein Assistent von Frau Martin, bringt Kaffee und Kuchen. Ein herrliches Plätzchen zum Verweilen und Entspannen, gleichzeitig frischer Wiesen- (und Kaffeeduft) in der Nase. Frau Martin erzählt, dass es bei einem Hof-Besuch auch die Möglichkeit gibt ein Lagerfeuer zu machen und Stockbrot oder mit dem Gulaschkessel Gulasch zubereitet werden kann. Fasziniert blicke ich auf die Feuerstelle und male mir Lagerfeuerabende aus, wie ich sie ebenso von früher kenne und vor allem liebe. Eine tolle und wichtige Erfahrung für Kinder – für alle.
Abschließend verabschiede ich mich nach diesem tollen Tag auf dem Franziskushof von Frau Martin, ihrem Assistenten und natürlich von ihren Tieren mit dem Versprechen für einen neuerlichen Besuch. Zufrieden und glücklich fahre ich zurück Richtung Stadt.
Der Franziskushof – ein Ort, an welchem man entgegen unserer schnell-lebigen, digitalen und hochtechnisierten westlichen Welt ein wenig Ruhe und Frieden findet, ankommen darf, vielleicht auch bei sich selbst.
Ein Gastbeitrag von Ulrike Maria Glösmann.

Dr. Martin Elisabeth ist Biologin, Diplomierte Religions- und Gestaltpädagogin (IIGS), Seminarleiterin in der Lehrerfortbildung und Erwachsenenbildung, LIMA Seniorentrainerin (Past.Amt ED Wien) und Zertifizierte Trainerin der Österreichischen Gesellschaft für tiergestützte Therapie ÖGTT, Personal Coach im tiergestützten Setting (Wirtschaftskammer NÖ)
Alle weiteren Infos über den Franziskushof findest du unter:

Ulrike Maria Glösmann, Bildungswissenschaftlerin/Sonder- und Heilpädagogin. Sie arbeitete im Bereich Inklusion mit und für Menschen mit Sehbehinderungen und Blindheit. Sie ist seit ihrer Schulzeit lyrisch tätig. Veröffentlichungen in Zeitschriften/ Anthologie/ Frauenbuchprojekt, Abhalten von Lesungen und Durchführen von Kunstprojekten gemeinsam mit vielfältigen Kunstschaffenden. Mitglied der „wiener.literatur.werk.statt“ und eines Sprechchors.
Weitere Infos über die Autorin findest du hier: https://lilliskolumnen.jimdofree.com/
WAG – Assistenzgenossenschaft
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