„Other island“

In der Bräuhausgasse inszeniert der Künstler Gerhard Fresacher gemeinsam mit anderen Künstler*innen spontan eine Ausstellung und ein begehbares Theaterstück zugleich. Im Rahmen von THE OTHER ISLAND werden Künstler*innen in Anlehnung an Alfred Kubins Werk „Die andere Seite“ eingeladen, diesen Ort gemeinsam zu gestalten und zu beleben, frei nach der Stadt, die im Roman auch als Museum beschrieben wird.

Was ist das Ziel der Ausstellung „Other island“, die von 30.11.-2.12.2023 in der Bräuhausgasse 31 stattfindet?

Das Ziel ist, dass Autonomie und Selbstermächtigung das Event bestimmen. Es soll sich entwickeln wie eine Pflanze. Die Leute helfen sich gegenseitig, schaffen Neues. Es ist ein sehr kommunikatives Event im Austausch.

Welche Idee steckt dahinter?

Die Idee ist die der Vermehrung, eine virusartige Ausbreitung. Bei der ersten Ausstellung habe ich Personen aus meinem Umfeld genommen. Beim zweiten Mal ist es ein neues Umfeld. Es gibt bekannte Gesichter, aber diese sind nicht mehr so bekannt. Daraus entsteht etwas Neues. Das zu beobachten ist für mich ein künstlerischer Luxus. Es ist wie eine Sozialskulptur, wie ein Theater. Man wohnt at über die Dauer des Projekts an einer Entwicklung bei. Es gibt neue und überraschende Dinge. Es ist wie eine begehbare Installation, durch die vielen Leute und durch ihre Person, dadurch hat man als Zuseher auch einen atmosphärischen Input. Das erspart einem so ein biss`l ein pseudoaufgesetztes Narrativ. Im Jänner 2024 soll die Ausstellung ein Kinderpfad und eine poetische, begehbare Ausstellung werden.

Die Römer haben das schon erfunden, sogenannte Inseln. Die Sozialbauten, das waren riesengroße Burgen. Da gab es eine Art Eigenleben, wie in einem Dorf. Das Problem der Städte heute ist ja, dass man nicht miteinander lebt, sondern nebeneinander.

Die Ausstellung lehnt sich an Alfred Kubins „Die andere Seite“ an. Kannst du darüber etwas erzählen?

Alfred Kubin hat den Roman „Die andere Seite“ geschrieben, der hier als Ausgangsort für uns dient. Der Künstlerort, den er beschreibt, der ist schon traurig dargestellt. Es ist die tragische Seite der Heilsversprechung, es scheint nicht immer die Sonne und es gibt keine Ecken und Kanten, keine Normen, es nicht immer lustig in dieser Welt. In seinem Roman „Die andere Seite“ kreiert sich der Protagonist Claus Patera ein eigenes Reich, wofür er Gegenstände, Kunstwerke aber auch Immobilien gesammelt hat. Es macht auch den Anschein, als ob er die Personen, die ins Traumreich eingeladen werden, sammeln würde, weil nicht jeder in das Traumreich einreisen darf: Sammelwütige, Menschen im Lesefieber, alte Abenteurer, die Ruhe suchen, Akrobaten, usw. leben dort.

Wie wichtig ist der soziale Aspekt?

Das Soziale ist das Material, mit dem ich die Skulpturen baue, das ist der Kit. Die Anziehung zueinander, die Inspiration. Die Autonomie, also politisch Anarchie und praktisch selbstbestimmtes Kollektiv zugleich, mit dem Ziel, die Atmosphäre zu genießen, indem man es dem anderen gemütlich macht. Das ist der Effekt, den es auch schon bei Josef Beuys zu finden gibt. Es macht immer Sinn, wenn eine Gruppe sich zusammentut, wie die Zünfte früher, die Weber, die Schuster, ein natürlicher Antrieb, eine Gruppenfindung.

Entgegen dem Zitat „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ also.

Ich hab` früher Theater gemacht bis 2014. Dabei hab` ich mich mit vielen Inhalten auseinandergesetzt und es war wenig Lebensbejahendes dabei. Es war oft etwas verbesserungswürdiges, sozialkritisches Set. Die Ausstellung „The other island“ sprengt die Ketten des Theaters oder kehrt zu ihrem Ursprung zurück, also zu etwas Ritualisiertem mit einem göttlichen Aspekt, das alles zusammenhält. Es ist weniger realistisch. Da bietet sich die Utopie an, die Dystopien so darstellen. So ein Projekt liegt im Konstruktiven, im Aufbauenden. Das ist der Unterschied zum Theater. In Theater werden Künstler*innen ausgebeutet, aber die prangern Gesellschaften an, wo das passiert, es lebt alles von der Paradoxie, ein Chaos, dieses Chaos muss man gegen sich selbst verwenden, das Pferd von hinten aufzäumen.

Wie bist du an das leerstehende Gebäude in der Bräuhausgasse gelangt?

Das war ein Zufall mit den Räumen. Investoren haben im Katalog gesehen, dass ich Leerstandbespielungen mit dem Verein Dark City mache. Bei dem Projekt machen wir die Stadt zur Leinwand. Wir arbeiten mit Phänomenen aus der Stadt – von der Infrastruktur bis zum Personal. Die Stadt wird zur Bühne im Kollektiv. Diese Leerstandbespielungen sind Teil des inhaltlichen Auftrags. Investoren haben mir dann ihren Leerstand angeboten. Es geht um inszeniertes Wohnen. Das ist ein Wohnprojekt, ein Kreativcluster, Airbnb, kurzfristige Ateliers, Residencies, offene Räume als Sozialräume, Parties, Feste unten im Geschoss. Der Innenhof ist nur durch eine Tür begehbar. Es ist ein Sozialsystem, ein Lebensmodell für Kreative. Und das Gretzl hat auch was davon, die Kultur, die Gasthäuser umliegend. Der Fachmarkt für Malerei ist gleich ums Eck. Das ist eine echte Belebung, Gentrifizierungsmaßnahme.

Wie haben die Besucher*innen die Ausstellung aufgenommen?

Viele sagen, dass sie inspiriert wurden, als sie da waren. Ein Künstler zum Beispiel, Patrick Müller, ist Kochkünstler, der kocht für Clubs und kulturelle Institutionen. Das findet in der größten Wohnung statt. Es ist ein richtiges Restaurant, ein Kolibri fliegt darüber.

Welche Förderungen gibt es für diese Ausstellung?

Ich stelle mir innere Aufgaben, mit Förderungen ist man wieder begrenzt. Unsere gesellschaftliche oder Subventionswelt lässt eine Sache aus, nämlich die spontanen Sachen. Müssten 150 Künstler*innen sich selbst erhalten und ihre Bedürfnisse, wir haben einen Eintritt und eine Bar, wir haben einige Idealiste*innen und Künstler*innen, Organisator*innen, Galerist*innen und Architekt*innen, die helfen da alle gratis mit.

Die Ausstellung trägt auch den Beititel „Überwintern in der Kunst“ – wieso?

Es wird langsam kalt. Es gibt rudimentäre Probleme. Es spielt sich im Narrativ ab, soziale Wärme, überwintern in der Kunst. Das Zitat finde ich ganz gut, das ist auch generell zu sehen – die Kunst ist ein Winterlager.

Was sind deine nächsten Projekte?

Ich male für eine Gallerie und werde neue Arbeiten herstellen, zwischen Kärnten und Wien pendeln und auch bissl ins Ausland gehen, um Reiseberichte zu machen. Ich beschäftige mich viel mit Literatur, Städte und Architekturen. Es geht in die Richtung, ein Hotel mit Künstler*innen zu schaffen, in dem es keine Arbeit gibt. Es sind also Freiräume der Kunst. Es gibt sehr wenige Freiflächen in der Stadt. Der öffentliche Raum war früher einer, der jedem gehört hat. Wir haben früher ein Picknick gemacht auf einer Parkinsel. Jetzt hat es sich so entwickelt, dass plötzlich der öffentliche Raum ist der ist, der allen nicht gehört. Das ist der Unterschied, also Hashtag temporärautonome Zone. Mit dieser Antimaterie arbeite ich ganz gerne.

Was passiert nach der Ausstellung mit dem Gebäude?

Das Haus in der Bräuhausgasse wird wieder an die Investoren zurückgegeben, die Traumwelt bröckelt auseinander, sie fällt in sich zusammen. Das Ende des Romans steht jetzt unmittelbar bevor.

Über

The Other Island

Präsentiert von District4ART | Programmiert von Dark City + den Künstler:innen | in Kooperation mit Sasada Beteiligungsges. m. b. H und KAPO

Nach der erfolgreichen Premiere Ende September findet eine Neuauflage von OTHER ISLAND statt: Wieder werden die 40 Wohnungen von über 100 Künstler:innen verschiedener Sparten bespielt und gestaltet. Die Besucher:innen erwartet ein immersives kollektives Gesamtkunstwerk auf 2000m², nach einer Idee von Gerhard Fresacher.

Ausgangspunkt für die erste Auflage von OTHER ISLAND war Alfred Kubins Roman „Die andere Seite“.

Im Jänner 2024 soll die Ausstellung in der Bräuhausgasse ein Kinderpfad und eine poetische Ausstellung werden. Geöffnet: An Wochenenden unter tags. Weitere Details dazu folgen.

Gerhard Fresacher

Geb.1972 in Niederösterreich, lebt und arbeitet in Klagenfurt und in Wien, studierte Szenografie und an der Akademie der Bildenden Künste, seit 2000 Einzel- und Gruppenausstellungen, Bühnenbilder und Inszenierungen, seit 2009 Theaterexperimente

Weitere Infos unter:

https://www.dark-city.at/other-island

https://www.gerhardfresacher.com/

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